Von der Datenmaut wären unter anderem die Netzneutralität gefährdet, warnen Kritikerinnen und Kritiker.

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Der Ausbau von Breitbandnetzen ist ein kostspieliges Unterfangen, das Telekom-Unternehmen einerseits über Einnahmen auf Kundenseite, andererseits aber mithilfe staatlicher Subventionen finanzieren. Geht es nach der Industrie, ist dieser Grundsatz alles andere als fair. Immerhin sind es große Tech-Konzerne wie Netflix, Google und Amazon, die einen Großteil des weltweiten Datenverkehrs verursachen – ohne auch nur einen Cent zur Instandhaltung der Infrastruktur beizutragen.

Seit vielen Jahren versuchen Lobbyisten deshalb, politische Entscheidungsträger auf ihre Seite zu holen, damit die wichtigsten Tech-Konzerne zur Zahlung einer Datenmaut verpflichtet werden. Mit ihrem jüngsten Vorstoß vom Mai letzten Jahres war die Industrie womöglich erfolgreich. Im Rahmen einer Studie forderte die Telekom-Lobbygruppe ETNO die Big-Tech-Firmen zu einer jährlichen Zahlung von 20 Milliarden Euro auf. Ein Beitrag, der angeblich hunderttausende Jobs schaffen und für ein milliardenschweres Wirtschaftswachstum sorgen würde.

Schaden für die Konsumenten

Diese Behauptung ist jedoch umstritten. Grundrechtsorganisationen und die Telekom-Regulierungsbehörde der EU (BEREC) warnen immer wieder vor den möglicherweise drastischen Folgen für das freie Internet und die Netzneutralität. Leidtragende seien am Ende des Tages die Kundinnen und Kunden, die teurere Abonnements erwarten würden. Außerdem sei die Netzneutralität gefährdet. Denn: Was passiert, wenn Netflix, Amazon und Co gar nicht zahlen wollen?

Trotz aller Kritik hat EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Ende Februar eine offene Konsultation eröffnet und ist damit einen ersten Schritt in Richtung einer konkreten Gesetzgebung gegangen. Was bei den größten Telekom-Konzernen für Jubel sorgen dürfte, hat auf der Gegenseite eine ungewöhnliche Koalition hervorgebracht.

Ungewöhnlicher Schulterschluss

Einige der größten Grundrechtsorganisationen, darunter die Electronic Frontier Foundation, Access Now, EDRi und Epicenter Works, haben sich mit einer Vielzahl von Industrievertretern zusammengeschlossen, um sich gegen die geplante Datenmaut zu stellen. Eine am Mittwoch veröffentlichte Stellungnahme haben insgesamt 47 Organisationen unterzeichnet, darunter auch die European VOD Coalition, eine Interessenvertretung, zu der neben Netflix, Sky und Warner Bros. Discovery auch Paramount und die Streamingplattform Roku gehören. Aber nicht nur das: Sogar eine Reihe lokaler Telekom-Unternehmen stellt sich gegen die Idee einer verpflichtenden Abgabe für Inhaltsanbieter.

Eine Datenmaut, so heißt es in der Stellungnahme, habe "unmittelbare und weitreichende negative Folgen, nicht nur für europäische Unternehmen, sondern auch für die Verbraucher", die mit höheren Kosten und eingeschränkten Wahlmöglichkeiten rechnen müssten. Die EU solle deshalb "von der Einführung einer solchen kontraproduktiven Maßnahme" absehen. Begründet wird diese Position mit einer vorläufigen Bewertung von BEREC, laut der es keine Beweise dafür gebe, "dass ein solcher Mechanismus angesichts der derzeitigen Marktlage gerechtfertigt ist".

Weitreichende Folgen

In Wirklichkeit würde eine Datenmaut laut der jüngsten Stellungnahme der genannten NGOs und Unternehmen "de facto die Agenda der marktbeherrschenden Telekommunikationsbetreiber durchsetzen", den Wettbewerb verzerren – und kleinere Telekom-Betriebe benachteiligen. Ein Problem, das besonders deutlich werde, wenn man den EU-Plan bedenke, bis 2030 allen Menschen einen Gigabit-Zugang zu verschaffen.

Noch bis zum 19. Mai erlaubt die EU-Kommission, eine Stellungnahme einzubringen. Erst dann wird sich entscheiden, ob sie einen Gesetzesentwurf einreichen und so den Markt womöglich für immer verändern wird. (Mickey Manakas, 3.5.2023)