Sieht in den Chats seiner Herausgeberin Eva Dichand eine "Zumutung": "Heute"-Chefredakteur Christian Nusser.

Foto: APA / Hans Punz

Wien – Die Chats zwischen Thomas Schmid, damals Kabinettschef im Finanzministerium, und "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand hätten ihn "verstört". Das sagte "Heute"-Chefredakteur Nusser in einem ausführlichen Interview mit dem Branchenmagazin "Österreichs Journalisti:in". Die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dokumentierte Interaktion zwischen Schmid und Dichand sei "natürlich eine Zumutung auch der Redaktion gegenüber".

Der Vorgang sei "lähmend für unsere Arbeit. Es rückt die Anstrengungen der vergangenen Jahre in ein schlechtes Licht." Es sei ein "Knochenjob" gewesen, die Tageszeitung so zu positionieren, wie es vor dieser Affäre gelungen sei. Der Eindruck, den die Redaktion jetzt habe, sei, "dass einiges in die Brüche gegangen ist".

Nusser: "Der 'gute Boulevard' zu sein war für uns nicht nur ein Schlagwort, wir haben das tatsächlich gelebt." Das drücke sich in der Bild- und Blattgestaltung, im Innenleben, im Umgang untereinander, mit anderen, in der Form des Redaktionskodex und auch im Auftreten gegenüber der Politik aus: "Jetzt in einem Atemzug mit 'Österreich' genannt zu werden, obwohl wir versucht haben, es genau anders zu machen, ist sehr ernüchternd."

"Rote Linie"

Als Gesamtbild gesehen lässt sich nach Nussers Ansicht aber keine "wohlwollende Berichterstattung" attestieren. Es sei nicht vorgekommen, dass Dichand zu ihm gekommen wäre und "den Auftrag oder die Weisung gegeben hätte, so und nicht anders über bestimmte Themen und Politiker zu berichten". Egal ob damit Inseratendeals verknüpft sind oder nicht, das könne er ausschließen: "Das hat nicht stattgefunden, und das hätte ich auch nicht akzeptiert. Aus meiner Sicht wird diese rote Linie dann überschritten, wenn es einen Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung gibt."

Nusser stellt auch eine interne Untersuchung in Aussicht: "Wir haben schon begonnen, alle infrage kommenden Jahre durchzuschauen, um einen Überblick zu bekommen." Man sichte derzeit alle Covers und politischen Seiten von 2013 bis 2021. Er werde darauf drängen, "dass wir uns auch Hilfe von außen holen". Zudem werde "es einen offenen Evaluierungsprozess im Haus geben müssen". Darüber hinaus werden man "wohl die Spielregeln im Umgang mit der Politik neu definieren müssen".

Im Interview erinnert sich Nusser als Beispiel an das Verhältnis zwischen Journalisten und Sebastian Kurz. Die Atmosphäre bei Hintergrundgesprächen "war sehr von Freundschaftlichkeit und Nähe geprägt, das war unangemessen". Der Umgang mit Kurz sei aber nicht aus dem Nichts gekommen. Man solle aus diesen Erfahrungen lernen und zusehen, "dass sich das nicht wiederholt". (red, 4.5.2023)