Es war das erste Mal seit 2019, dass Mitte April wieder Besucher nach Schanghai zur Automesse strömten. Drei Jahre lang waren Reisen nach China aufgrund der strikten Zero-Covid-Politik kaum möglich. Fast ging es zu wie in alten Zeiten: Manager gefolgt von Journalisten bestaunen neue Modelle und schwärmen von neuen Wachstumsmärkten. Ein Drittel aller Pkws weltweit wird in China verkauft, mit steigender Tendenz. Der Unterschied zur Zeit vor der Pandemie: Im Rampenlicht stehen nun chinesische Marken mit Elektromotoren – BYD, Great Wall und Nio.

Ein Mann betrachtet die elektrische Limousine Han EV des chinesischen Automobilherstellers BYD während der Auto Shanghai 2023 in Schanghai. Auf China entfielen im vergangenen Jahr zwei Drittel der weltweiten Verkäufe von Elektrofahrzeugen.
Foto: AP/Ng Han Guan

Als sich der Vorhang der Pandemie lichtete, war China plötzlich an den Konkurrenten Deutschland, den USA und Südkorea vorbeigezogen. Exportierte das Land 2018 noch 600.000 Autos ins Ausland, sind es mittlerweile 2,6 Millionen. Nur Japan bringt es auf noch mehr. Im selben Zeitraum verfünffachte sich auch die Produktion von Elektrofahrzeugen. Zwar hat Tesla noch immer einen globalen Marktanteil von über 50 Prozent. An zweiter Stelle aber folgt nun schon der chinesische Hersteller SAIC. In China selbst dominiert BYD das Geschäft. Wie kam es zu diesem sagenhaften Aufschwung?

Gigantischer Markt

Alarmstimmung flackerte in der deutschen Autoindustrie immer wieder mal auf, wenn es um China ging. Schließlich, so fürchtete man, könne es ja genauso laufen wie bei den Hochgeschwindigkeitszügen oder der Solarindustrie: Die erst durch billige Produktionskosten und später von dem gigantischen Konsumenten-Markt angelockten Unternehmen würden ihre Technologie an chinesische Mitbewerber abgeben und anschließend von diesen ausgestochen werden.

Dafür zwang die chinesische Regierung ausländische Unternehmen seit den 1980er-Jahren in sogenannte Joint-Ventures mit chinesischen Staatsunternehmen. Alle paar Jahre machte dann ein chinesisches Eigenprojekt (meist üppig ausgestattet mit zuvor bei der westlichen Konkurrenz abgeworbenen Personal) von sich reden. Qoros zum Beispiel kaufte sich die Designer von BMW Mini ein und kündigte großspurig an, bald auf westlichen Märkten Fuß zu fassen. Allein, es klappte nie.

In der deutschen Autoindustrie (im Bild der rein elektrische BMW i7 M70 xDrive) flackerte immer wieder einmal Alarmstimmung auf, wenn es um China ging.
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Das feine und komplexe Netz, das sich Autobauer und Zulieferer vor allem in der DACH-Region aufgebaut hatten, ließ sich auch mit großen Anstrengungen und viel staatlichen Subventionen nicht einfach replizieren.

Subventionen als Stimulus

Erst der Elektromotor gab China diese Chance. Und die Ansage kam von ganz oben. Angeblich soll Präsident Xi Jinping 2014 verkündet haben, der Elektromotor sei die einzige Chance, von einem großen Automobilkonsumenten zu einem Produzenten aufzusteigen. In der Folge begannen die Provinzen mit Subventionen untereinander zu wetteifern, wer schneller ein chinesisches E-Fahrzeug auf den Markt bringen konnte. Wie oft bei staatlichen Subventionen endeten diese an der falschen Stelle und trieben Blüten: So wurden zwar tausende Autos produziert, der teuerste Teil, die Batterie, aber weggelassen. Die Fahrzeuge fuhren nie.

Ein Grund für die Ansiedlung von Tesla nahe Schanghai 2018 dürfte der erwünschte Wettbewerbsdruck gewesen sein. Die chinesischen Unternehmen sollten durch die Konkurrenz fitter werden und langsam von den Subventionen entwöhnt werden.

Die Ansiedlung von Tesla nahe Schanghai dürfte auch als Fitnesskur für chinesische Unternehmen gedacht gewesen sein.
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Eine Erklärung für den Erfolg der chinesischen Hersteller in den vergangenen drei Jahren sind schlicht die einheimischen Konsumenten, die andere Schwerpunkte beim Autokauf setzen. "Salopp formuliert: Nicht Freude am Fahren, sondern Unterhaltung im Stau und Konnektivität stehen im Zentrum. Einheimische Autohersteller haben das früher begriffen als westliche Marken", sagt Georg Stieler von der Unternehmensberatung STM in Schanghai.

Den chinesischen Käufern ist vor allem eine Vernetzung mit der omnipräsenten App Wechat wichtig, ohne die der chinesische Alltag eigentlich nicht mehr zu bewältigen. Hinzu kommt eine digitale Infrastruktur mit digitaler Gesichts- und Nummernschild-Erkennung.

Elektrisch fahren ist günstiger als mit Verbrenner

In den Ballungsräumen existiert mittlerweile eine entsprechende Ladeinfrastruktur. "Sowohl was den Anschaffungspreis als auch die Betriebskosten angeht, ist elektrisch fahren in China günstiger als Autos mit Verbrennungsmotor", sagt Stieler. Aufgrund des starken Verdrängungsdrucks drängen die chinesischen Autohersteller jetzt auch auf andere Märkte, etwa nach Europa.

China ist mittlerweile auch führend bei der Herstellung von Batterien. E-Auto-Hersteller BYD ist zusammen mit CATL (im Bild ein CATL-Stand auf der Automesse in Schanghai) auch führend in diesem Markt.
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Hinzu kommt, dass China mittlerweile auch führend bei der Herstellung von Batterien ist. E-Auto-Hersteller BYD ist zusammen mit CATL auch führend in diesem Markt. Während das für die Batterien notwendige Lithium zwar überwiegend aus Südamerika kommt (wo Chile gerade die Lithium-Produktion verstaatlicht hat), besitzt China die größten Kapazitäten, das Material zu verarbeiten, und bei Lithium-Ionen-Batterien einen Marktanteil von 80 Prozent. "Niemand will den Abbau und Produktion von Metallen und seltenen Erden vor Ort haben", sagt Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Singapur. "Nur in den USA ist man langsam aufgewacht und baut diese wieder auf."

"Viel Hype"

Bei genauerem Hinsehen trübt sich das Bild allerdings. "Derzeit ist auch viel Hype im Spiel. Ob die Zukunft wirklich den Elektroautos allein gehört, wird sich noch zeigen", sagt Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Singapur. "Die chinesischen Hersteller sind führend in den billigeren Marktsegmenten, also Auto unterhalb von 200.000 Renminbi (ca. 25.000 Euro)." Nach wie vor aber dominieren die deutschen Marken das Premiumsegment. Ein anderer Grund, weshalb die chinesischen Hersteller so günstig sein können, sind laxere Sicherheitsvorschriften in China. Zudem zeige der Preiskampf, dass das Marktpotenzial schon an seine Grenzen gestoßen ist. (Philipp Mattheis, 8.5.2023)