Ein Feierabendbier kann ein echter Genuss sein – aber es sollte die Ausnahme sein, nicht die Regel. Gerade beim Alkohol kann es rasch zu viel werden, mit langfristig schweren Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit.

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Das Biertschi nach der Arbeit, ein Achterl für den Genuss, den Prosecco zum Brunch – alkoholische Getränke sind im Alltag der Österreicherinnen und Österreicher fest verankert. Dagegen ist nicht per se etwas einzuwenden, man darf und soll ab und zu genießen. Aber eben ab und zu, und nicht täglich. Denn gepaart mit dem im europäischen Durchschnitt sehr hohen Alkoholkonsum hierzulande ist eine explizite Verniedlichung des Alkohols – und ein vielfaches Ignorieren der Tatsache, dass es sich dabei um ein Zellgift handelt. Doch wie viel Alkohol kann man entspannt trinken, ohne negative Folgen für die Gesundheit befürchten zu müssen?

Rein wissenschaftlich gesehen ist die Lage klar: Alkohol ist ein Zellgift und schädigt den Körper, wenn man ihn zu sich nimmt. "Es gibt aber viele Substanzen, die wir konsumieren und die uns schaden. Es ist also eine Frage der Dosis", betont Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien. Man sollte sich deshalb um einen risikoarmen Konsum bemühen. Das ist bei Männern ein großes Bier oder ein Viertel Wein pro Tag – wenn man an mindestens zwei Tagen pro Woche gar nichts trinkt. Frauen können weniger trinken, die ungefährliche Höchstdosis ist für sie ein kleines Bier oder etwas weniger als ein Viertel Wein.

Alkohol als Kulturgut?

Das zeigt schon, dass der risikoarme Genuss bei Männern und Frauen unterschiedlich ist. Dahinter stecken in erster Linie genetische Faktoren, Männer können Alkohol besser abbauen als Frauen. Doch egal welches Geschlecht, ein entspannter Genuss ist wesentlich weniger Alkohol, als viele denken. Trinkt man etwa an sieben Tagen von sieben, also täglich, Alkohol, ist auch der geringe Konsum problematisch. Und trinkt man mehr, wird es schnell gefährlich. Ab drei großen Bier oder einer Flasche Wein täglich wird es für einen Mann definitiv zu viel, für eine Frau ist das bereits ab zwei großen Bier oder zwei Vierteln Wein der Fall.

Wie viel Alkohol man trinkt, ist auch eine kulturelle Frage, in Österreich etwa ist die Alkoholkultur sehr ausgeprägt. "Man bestellt ein Krügerl oder ein Achterl, das sind sehr verniedlichende Ausdrücke", betont Lochner. Mit dieser Verniedlichung kommt aber einiges zusammen. Rund 240 Liter Bier werden pro Person und Jahr in Österreich vernichtet, damit gehören wir innerhalt der OECD zu einem Hochkonsumland.

Das zeigt sich auch daran, dass rund eine Million Menschen in Österreich ein problematisches Trinkverhalten hat. Rund fünf Prozent der Erwachsenen ab 15 werden als alkoholabhängig eingestuft, das sind etwa 370.000 Menschen. Männer sind wesentlich häufiger betroffen, bei ihnen sind es 7,5 Prozent. 2,5 Prozent der Frauen sind Alkoholikerinnen, ihr Anteil ist aber im Steigen begriffen. Das hat auch damit zu tun, dass Frauen sich zunehmend männliches Konsumverhalten aneignen und traditionelle Rollenbilder aufbrechen. Gleichzeitig haben sie häufiger einen gesellschaftlich akzeptierten Konsum, Frauen trinken eher Prosecco oder Wein, keine harten Getränke.

Trinken im Selbstcheck

Ab wann man tatsächlich süchtig nach Alkohol ist, kann man dabei nicht an fixen Parametern festmachen. Sucht ist sehr individuell, weiß Lochner: "Wie bei jeder Sucht ist die Substanz nur ein Parameter. Andere Faktoren sind die eigene Resilienzfähigkeit, wie sehr ist man gesellschaftlich verankert, wie geht man mit Problemen um." Das konnte man zum Beispiel während der Pandemie beobachten. 24 Prozent der Menschen in Wien berichten etwa, dass sie in dieser Phase mehr getrunken haben. Das habe ihnen geholfen, mit der Belastung besser umzugehen. Das zumindest hat sich bei vielen mittlerweile wieder normalisiert.

Klares Anzeichen für einen zu intensiven Konsum ist neben täglichem Trinken, wenn man das Genussmittel Alkohol als Problemlösungsmittel missbraucht, etwa zum Herunterkommen und Beruhigen. Alarmsignale sind auch episodisches, gezieltes Rauschtrinken und wenn der Körper eine Toleranz entwickelt, also wenn man mehr Stoff braucht, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Ebenso wenn man die Kontrolle über das eigene Trinkausmaß verliert, etwa wenn man plant, nur ein Achtel zu trinken, daraus dann aber regelmäßig deutlich mehr wird. Und ist der nächste Alkoholkonsum, etwa das Bier am Feierabend, ein fixer Bestandteil der Gedanken, sollte man aufmerksam werden. Sprechen einen Freundinnen oder Freunde auf den eigenen Konsum an, sollte man sich wirklich Hilfe holen.

Will man sich über den eigenen Alkoholkonsum ein klareres Bild machen, kann man ein Trinktagebuch führen, in dem man täglich aufschreibt, was man konsumiert. Oder man macht das online, etwa auf alkcoach.at. Dort kann man, völlig anonym, das eigene Trinkverhalten eingeben und bekommt Feedback dazu, inklusive Tipps, wie man seinen Konsum reduzieren kann.

Das könnte etwa sein, in dem man sich selbst bestimmte "Trinkregeln" setzt: Man trinkt nur, wenn es etwas zu feiern gibt. Nur an bestimmten Tagen der Woche oder nur in geselliger Runde. Wichtig ist, das eigene Verhalten zu reflektieren, betont Lochner. Diese Bereitschaft hängt auch, wie man weiß, mit dem Bildungsgrad und der sozialen Schichtung zusammen. Bei Lehrlingen etwa ist Alkohol, ebenso wie Zigaretten, stärker präsent als bei Schülerinnen und Schülern.

Unerwartete Folgen

Ein Zuviel an Alkohol beeinträchtigt dabei sukzessive die Gesundheit, Leber, Herz-Kreislaufsystem und Gehirn leiden. Aber es gibt auch Folgen, die man nicht so auf dem Schirm hat. Der Schlaf leidet zum Beispiel enorm, wenn man zu viel getrunken hat. Zuerst sinkt man in einen sehr schweren, nahezu schon komatösen Schlaf. Ist der Alkohol abgebaut, schläft man dann meist sehr unruhig und kommt nicht in die erholsamen Tiefschlafphasen. Kurzfristig bedeutet das, dass man mehrere Tage braucht, um sich von einer Partynacht zu erholen. Langfristig wirkt sich das auf die Gesamtgesundheit massiv aus. Schlechter Schlaf ist etwa ein wichtiger Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer Demenz. Auch das Essverhalten und damit langfristig das Gewicht werden beeinflusst, man greift viel eher zu salzigen und fetthaltigen Speisen, was wiederum zu Folgeerkrankungen führen kann

Schließlich gerät man auch in einen psychischen Teufelskreis: Viele Menschen trinken, weil es ihnen psychisch nicht gut geht. "Wenn man trinkt, kann es aber auch zu einer alkoholinduzierten Depression kommen. Um diesem Gefühl zu entkommen, trinkt man womöglich wieder und kommt so in die Spirale des induzierten Konsums", erklärt Lochner. Das kennen wohl so manche nach einer langen Partynacht – es geht einem nicht nur körperlich schlecht, sondern auch psychisch. Das beliebte "Reparaturseiterl" lässt einen aber womöglich in genau die Schleife geraten, die man vermeiden möchte.

Ein Hoch auf die Pause

Um den Konsum innerhalb vernünftiger Grenzen zu halten, gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine ganz wichtige ist die Pause. "Längere Trinkpausen, also alkoholfreie Phasen über mehrere Wochen, sind eine sehr gute Selbstschutzmethode", weiß Lochner. Viele nutzen etwa die Fastenzeit für so eine Abstinenz, Dry January oder Sober October sind internationale Aktionswochen für weniger Alkohol. Und man sollte tabulos über den eigenen Alkoholkonsum und jenen im Freundeskreis sprechen, ohne Verharmlosungen: "Die Verniedlichungen im Gespräch über Alkohol vernebeln unsere Wahrnehmung."

Hat man Schwierigkeiten, eine Pause durchzuhalten, oder ergibt eine Überprüfung etwa beim Alkcoach ein bedenkliches Trinkverhalten, sollte man sich Hilfe holen. Dafür stehen mehrere, auch niederschwellige Möglichkeiten, wie etwa in Wien Alkohol.Leben können, zur Verfügung. Wichtig ist, dass man selbstkritisch auf den eigenen Konsum schaut und auch, wenn nötig, Maßnahmen setzt. (Pia Kruckenhauser, 9.5.2023)