Astro-Influencerin Lori Haberkorn schaut auf Instagram in die Sterne.


Foto: Lori Haberkorn / „Presse“

Die Frühjahrskollektion 2017 von Dior war der Astrologie gewidmet.

Foto: Imago / Starface

Das Label Maanesten wirbt vor Mondlandschaften.

Foto: Maanesten / Sune Czajkowski

H&M verkauft Kinder-Shirts mit Tierkreiszeichen.

Foto: H&M

Wenn Lori Haberkorn in die Kamera spricht, dann erzählt sie vom "rückläufigen Merkur" oder dem "Saturn in den Fischen". Die Oberösterreicherin nennt sich "Moon- und Tarot Coach". Wenn sie rät, im rückläufigen Merkur keine wichtigen Entscheidungen zu treffen, dann spitzt ihre Community die Ohren. Auf Instagram folgen ihrem Profil 19.400 Accounts.

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DER STANDARD

Haberkorn ist Vertreterin einer jungen Generation an Astro-Influencerinnen und -Influencern. Mit dem Charme der Ö3-Treffpunkt Sternstunden-Legende Gerda Rogers haben sie und ihre Kolleginnen Alexandra Kruse, Palina Rojinski, Aliza Kelly oder Lisa Stardust wenig gemein. Die Porträts etwa auf Haberkorns Website könnten aus einer Gucci-Kampagne stammen. Kein Wunder, die 33-jährige Oberösterreicherin hat zuvor in der Modebranche gearbeitet, "als Stier war mir Mode immer wichtig". Sie hat für Magazine wie Elle oder Cosmopolitan in die Sterne geschaut, berät Firmen wie Google, kooperiert mit Unternehmen wie Victor & Rolf und hat auch ein Buch geschrieben: Das Cover von Die goldene Magie der Mondin taugt wie das Buch der angesagten, queerfeministischen Astrologin Chani Nicholas als schillerndes Coffeetable-Book. "Ich wollte das Thema von Beginn an aus der Eso-Ecke rausholen", erklärt Haberkorn, die visuelle Umsetzung sei für den Erfolg ihres Business entscheidend gewesen: Ihr erster Kunde war 2018 der angesagte Members-Club Soho House Berlin.

Tarotkarten auf Seide

Die Astrologie hat die alternativen New-Age-Läden verlassen, die Beschäftigung mit ihr ist längst im Mainstream angekommen. "Spiritualität spielt für die junge Generation eine viel größere Rolle, sie mag ein Stück weit die Kirche ersetzt haben", meint Haberkorn. Aber nicht nur das. Sie ist auch fester Bestandteil der Pop- und Social-Media-Kultur, omnipräsent im Internet, in der Werbung und in der Mode.

Fachsimpelte die Generation X noch über Indie-Bands, tauscht sich die Generation Z über Wellness, Selfcare wie die Sternzeichen von Taylor Swift oder des aktuellen Crushs und über Phänomene wie den "Mercury Retrograde" aus: Allein auf Instagram finden sich unter gleichnamigem Hashtag 680.000 Beiträge. "Welcher Met-Gala-Look bist du laut deinem Sternzeichen?", fragte Lisa Stardust unlängst auf der Website von Teen Vogue. Ein typischer Onlinebeitrag eines Modemagazins, Astrothemen versprechen Aufmerksamkeit, Klicks – und Umsätze.

Spirituelle Millennials

Die Interessen der spirituell aufgeschlossenen Millennials sowie der Generation Z dienen laut der Boston Consulting Group vielen Unternehmen als Richtschnur. Sie werden bis 2026 etwa 61 Prozent des globalen Marktes für Luxusgüter ausmachen. Die Modewelt? Sie saugt den Hype um die Astrologie also zu gern auf. 2017 entwarf Vetements-Designer Demna Gvasalia mit Sternzeichen versehene Regenjacken. Dior-Designerin Maria Grazia Chiuri ist fasziniert von Tarotkarten, ihre erste Kollektion widmete sie 2016 den Sternenbildern, bis heute verkauft das französische, zum Luxuskonzern LVMH gehörende Modehaus Seidentücher und Handtaschen mit den zwölf Tierkreiszeichen, Marken wie Chloé oder Maanesten bieten Schmuckstücke an, die im Zeichen von Steinbock, Skorpion und Widder stehen, im vergangenen Frühjahr präsentierte Gucci im Castel del Monte in Apulien seine von Sternenbildern inspirierte "Cosmogonie"-Kollektion. Die Marke Calzedonia hat mit der Astro-Influencerin Palina Rojinski Strumpfhosen und Leggings mit Sternzeichenmotiven herausgebracht, außerdem verkauft sie Hoodies als "kosmische Schutzschilder im Alltag". Selbst auf der Uhrenmesse Watches & Wonders setzen Luxusuhrenhersteller wie Vacheron Constantin eingravierte Sternbilder. Als "Cosmicwashing" hat die in der Schweiz lebende Influencerin Alexandra Kruse die Astro-Begeisterung vieler Firmen einmal bezeichnet.

Mode als Orakel

"Warum sind Modemenschen so verrückt nach Astrologie?", fragte das britische Magazin i:D schon vor acht Jahren. Haberkorn glaubt: "Wie die Astrologie verhält sich die Mode zyklisch." Außerdem sei sie von jeher ein Symbol für Luxus gewesen. Die New Yorkerin Susan Miller antwortet auf solche Fragen gewöhnlich mit einer Gegenfrage: "Ist Mode nicht eine Art Orakel?" Sie sollte es wissen. Lange galt die alterslose US-Amerikanerin als die Lieblingsastrologin der Modewelt, ihre Website Astrology Zone wird von Fans seit 1995 angeklickt: Miller hat Designer wie Raf Simons und Unternehmerinnen wie Gloria Vanderbilt beraten, für Luxusmarken Handtaschen entworfen, in guten Zeiten schrieb sie für zehn Modemagazine gleichzeitig, Stylisten und Stylistinnen richteten Modeshootings nach ihren Horoskopen aus, ihre Tochter Chrissie ist Modedesignerin und in New Yorks Kreativ-Bubble zu Haus.

Auch die Faszination von Modedesignerinnen und -designern für die Sterne reicht weit zurück: Schon 1938 hat Elsa Schiaparelli eine Astrologie-Kollektion entworfen, 1993 druckte das römische Modehaus Fendi Sternzeichen auf Shorts und Oberteile, 1997 holte John Galliano mit seiner Frühjahrskollektion "Circus" die Sterne auf den Laufsteg.

Mehr Fashion-Content

Bis heute ist die Modeindustrie mit spirituellen Geschäftsmodellen eng verwoben. Bestes Beispiel dafür sind Banu Guler, Anna Kopp und Ben Weitzman, die erst für die New Yorker Modecommunity VFiles arbeiteten, bevor sie die heute extrem populäre Astro-App Co-Star gründeten. Auch Lori Haberkorn macht auf der Plattform Instagram kein Hehl aus ihrer Leidenschaft für Mode. Sie weiß, dass ihre Community sich sogar noch mehr Fashion-Content wünscht. Nur die ältere Generation äußere Vorbehalte, wenn es um die Zusammenarbeit mit großen Luxusbrands gehe, meint die 33-Jährige.

Es klingt, als könne sie damit leben. Die gebürtige Oberösterreicherin, die in den vergangenen Jahren in Berlin und auf Mallorca zu Hause war und seit kurzem wieder in der Nähe von Wien lebt, schaut lieber in die USA. Dort sehe man, welchen Stellenwert die Astrologie haben könne. Haberkorn ist Fan der gebürtigen Kanadierin Chani Nicholas, die es zu einer eigenen Netflix-Serie gebracht hat. Und Aliza Kelly, die regelmäßig in der Drew Barrymore Show auftritt. Was sie sich für ihre Zukunft wünscht? Eine eigene Modekollektion könne sie sich durchaus vorstellen, meint Haberkorn. Aber vor allem träumt sie von einer eigenen Astro-Show. (Anne Feldkamp, 5.5.2023)