Links: Helene Schuberth, rechts: Monika Köppl-Turyna.

Foto: Foto Weinwurm; Elisabeth Mandl, Oegb; Collage: STANDARD

Im April betrug die Inflation in Österreich laut vorläufiger Schätzung 9,8 Prozent – in der gesamten Eurozone sind es nur 7,0, beim deutschen Nachbarn 7,2 Prozent. Welche Gefahren drohen wegen der überdurchschnittlich hohen Inflation in Österreich? Und was soll man dagegen tun?

Wie beeinflussen wachsende Preise und Lebenserhaltungskosten den Alltag der Menschen? Das STANDARD-Videoteam hat sich am Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten umgehört.
DER STANDARD

DER STANDARD hat Monika Köppl-Turyna und Helene Schuberth danach gefragt, zwei der profiliertesten Ökonominnen Österreichs, die sich mit der Inflation auseinandersetzen – aber sonst eher unterschiedlich unterwegs sind. Schuberth ist die Chefökonomin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB); Köppl-Turyna leitet das Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria, das der Industriellenvereinigung (IV) nahesteht. Dementsprechend fallen die Antworten der beiden Expertinnen bisweilen gegensätzlich aus.

Die Teuerung knabbert heftig an der Kaufkraft. In Österreich stärker als anderswo.
Foto: APA/Barbara Gindl

Monika Köppl-Turyna, Eco Austria:

"Dass die Inflation in Österreich höher ist als in anderen Staaten, ist vor allem für die internationale Wettbewerbsfähigkeit ein Problem. Denn aus höheren Preisen in Österreich resultieren höhere Löhne – und diese steigenden Arbeitskosten führen dazu, dass Güter von hier international weniger konkurrenzfähig sind. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die Lebensmittelpreise eigentlich kein großer Inflationstreiber in Österreich sind, auch wenn sie derzeit die Debatte bestimmen. Ich bezweifle deshalb, dass der aktuelle Fokus auf die Supermärkte der richtige ist. Viel wichtiger ist laut den letzten verfügbaren Daten vom März der Anteil der Restaurants; dazu spielt die Energie immer noch eine wichtige Rolle. Im Vergleich zur Inflation in Deutschland erklären allein die Restaurantpreise die Hälfte der höheren Inflationsrate in Österreich.

Dies bekräftigt für mich eines: Die Inflation ist stark nachfragegetrieben; sie resultiert also daraus, dass die Menschen mehr Geld ausgeben, und dies schon seit Abflauen der Corona-Pandemie. Dieser enorme Nachfrageschub gilt für die ganze Eurozone. Insbesondere zeigt er sich auch – wie eben der große Beitrag der Restaurants zeigt – für Österreich.

Was sollte man also tun? Ich meine, wir sollten es vermeiden, zusätzliche Nachfrage zu generieren. Breite Steuersenkungen – wie der Vorschlag eines Aussetzens der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel – konterkarieren dieses Ziel. Denn sie führen dazu, dass die Menschen mehr Geld ausgeben statt weniger und damit die Inflation fördern. Der Staat sollte treffsicher nur jene Menschen finanziell unterstützen, die über geringe Einkommen verfügen. Außerdem könnte sich der öffentliche Sektor mit Aufträgen zurückhalten, beispielsweise bei Bauprojekten. Abgesehen davon würden auch mehr Wettbewerb und mehr Transparenz bei den Preisen keineswegs schaden."

Helene Schuberth, ÖGB:

"Dass Österreich eine der höchsten Inflationsraten der Eurozone hat, überrascht nicht. Österreich hat hier am wenigsten für preissenkende Maßnahmen ausgegeben. Dass die höhere Inflationsrate mit einer gestiegenen Nachfrage im Zuge der Einmalzahlungen zusammenhängt, überzeugt nicht. Da hätten wir eine starke Konsumnachfrage sehen müssen. Tatsächlich war der Konsum angesichts der hohen Reallohnverluste zwischen April und Dezember des Vorjahres rückläufig. Wir hatten zwar gute, verantwortungsvolle Lohnabschlüsse, aber diese werden jetzt durch die überraschend hohe Inflation aufgefressen. Das Problem: Viele Unternehmen haben die Preise erhöht, um ihre ohnehin hohen Gewinnmargen zu halten beziehungsweise sogar zu erhöhen. Die profitgetriebene Inflation, der technische Begriff für 'Gierflation', spielt eine wesentliche Rolle.

Im Idealfall hätte man spätestens mit der Energiekrise im Februar 2022 preissenkende Maßnahmen ergreifen müssen, insbesondere bei Energie, nicht nur beim Strom, auch beim Heizen, bei Mieten, bei Nahrungsmitteln. Energiepreise zum Beispiel stehen am Beginn der Wirkungskette des Inflationsaufbaus. Mittlerweile sind alle Bereiche vom Preisauftrieb erfasst. In Österreich steigt nun das Preisniveau stärker als anderswo. Die Regierungsvertreter, die sich gegen Preisbremsen wehren, sollte doch interessieren, dass unser Wirtschaftsstandort damit Nachteile hat.

Wir müssen jetzt sofort viele Instrumente einsetzen: rückwirkende Mietpreisbremse, Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Dabei sind Kontrollmechanismen wie eine unabhängige, sozialpartnerschaftliche Antiteuerungskommission ganz wichtig, damit sichergestellt ist, dass das bei den Menschen ankommt. Ähnliches gab es in Österreich bereits bei der Euroeinführung. Aktuell hat Kroatien bei der Euroumstellung Preise überwacht. Unternehmen müssen täglich Preisdaten melden, und es wurde sanktioniert." (Regina Bruckner, Joseph Gepp, 5.5.2023)