Eigentlich hätte es ihm schmeicheln können. Denn mit so toller Musik wird er sonst selten in Zusammenhang gebracht. Doch selbst dagegen musste er sich wehren. Ed Sheeran hat am Donnerstag einen Prozess nicht verloren. Darin wurde ihm von den Erben des US-amerikanischen Komponisten Ed Townsend unterstellt, er hätte sein Lied Thinking Out Loud etwas zu nahe an Marvin Gayes Weltnummer Let's Get It On gebaut. Er würde die Musik sein lassen, hat er gesagt, sollte er diesen Prozess verlieren, und nicht alle konnten das als Drohung erkennen.
Für Aufmerksamkeit war in den letzten Wochen also gesorgt im Hause Sheeran, darüber konnte man fast vergessen, dass er ja auch ein neues Album in der Pipeline hat, und das ist nun erschienen. Es trägt den Titel – (Subtract) und ist das fünfte Album des britischen Pumuckls. Ob der Name des Albums, ein Minus, das Zeichen ist?
Tumor und toter Freund
Es soll das Letzte in einer Reihe von Arbeiten sein, die mit Mathematik konnotiert sind, vielleicht das Melancholischste, wie Sheeran es im Vorfeld gestreut hatte. Wiewohl er behauptete, an dem Album seit einem Jahrzehnt zu arbeiten, soll es von Ereignissen der letzten Zeit überschattet sein. Bei seiner schwangeren Frau wurde ein Tumor entdeckt, der erst nach der Geburt ihres Kindes operiert werden kann, sein bester Freund Jamal Edwards ist im Vorjahr plötzlich gestorben. Und dann gab es diesen Prozess, von dem er seine künstlerische Integrität untergraben sah.
Die von Sheeran angekündigte Melancholie ist nun keine umstürzlerische Neuigkeit bezüglich des Werks des 32-Jährigen. Er wurde mit solchen Songs zum Star. Und das ist durchaus beachtlich, schließlich wählte er eine sehr reduzierte Form, beschränkt sich meist auf Gitarre und ein bisserl Band aus dem Computer.
Nichtraucherfeuerzeug
Damit füllte er zu Beginn seiner Karriere kleine Clubs, mittlerweile ganze Stadien. Im sehr oft überproduzierten Pop-Mainstream bietet er mit dieser gerne als ehrlich etikettierten Musik ein Angebot an jene, die gerne im Stadion mit dem Nichtraucherfeuerzeug winken.
Das neue Album bietet dafür vierzehn Möglichkeiten, so viele Songs wartet die Schmalhans-Version des Werks auf, wem das zu lebensfroh ist, kann auf Deluxe upgraden und bekommt noch ein paar Tränendrücker mehr.
Geprägt ist es von brechenden Stimmen, Streichern, Klaviermoll und einem Grundschmerz. Ed hat für jeden eine schlechte Nachricht – geteiltes Leid ist halbes Leid – und natürlich auch ein wenig Trost: Wozu sollte man ihm sonst lauschen?
Und mit einem Lied wie Curtains lässt er sich gar zu einem Zwischensprint hinreißen. Es dominiert aber eine Form von Kammerpop, intim natürlich, ein wenig sehr sängerknabisch dargeboten, niederschwellig, dabei durchaus geschwollen.
Das Problem
Sheeran ist kein Schmerzensmann, der aus seinen Wunden große Musik macht. Er ist eher der Tagebucheintrag-Vertoner. Das passt schon; es setzt nur ein erhöhtes Interesse an seiner Person voraus. Denn anders als, sagen wir, in der Soul Musik, in der Individuen es vermögen, aus ihrem Ungemach einen universellen Schmerz zu formulieren, bleibt Sheerans Musik eine Nabelschau. Dabei kann man ihm durchaus zuhören, den Fussel im Nabel einmal von hier und einmal von da betrachten. Wie spannend das ist, muss jeder selbst entscheiden. Die Musik tut nicht weh – aber genau das ist ihr Problem. (Karl Fluch, 5.5.2023)