Die Umfrage zu Arbeitsbedingungen in der Kreativwirtschaft soll Ausgangspunkt für eine Charta sein, die der Branche als Leitfaden zur Entwicklung der Arbeitsbedingungen dienen soll. Präsentiert wurden die Ergebnisse kürzlich im Designforum Wien.

Foto: Leisure, Christian Jobst

Wien – Der Creativ Club Austria (CCA) und die Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation in der Wirtschaftskammer Wien führten gemeinsam mit Mindtake eine Studie zur aktuellen Situation am Arbeitsmarkt durch. Rund 430 Teilnehmer beurteilten dafür den Status quo und gaben Anregungen, wie sich die Arbeitswelt für Arbeitnehmer, Freelancer und auch Unternehmer ändern muss. Die Umfrage soll auch Ausgangspunkt für eine Charta sein, die der Branche als Leitfaden zur Entwicklung der Arbeitsbedingungen dienen soll.

Respekt und Hilfsbereitschaft "maximal durchschnittlich"

Und was sind die zentralen Ergebnisse der Umfrage? Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer nehmen Respekt und Hilfsbereitschaft in der Branche "maximal als durchschnittlich wahr". Freelancer fühlen sich deutlich höher respektiert. Allgemein meint man in der Kreativwirtschaft, dass "lauten" Menschen mehr Gehör geschenkt werde. Überholte Strukturen seien das Resultat mangelnden Leaderships und geringer Bereitschaft zur Weiterentwicklung. Freiberuflich tätige Männer finden sich häufiger in der höchsten Gehaltsklasse, während Frauen sich überwiegend am unteren Ende der Einkommenspyramide bewegen. Bei älteren Arbeitnehmern zeigt sich eine hohe Akzeptanz von All-in-Verträgen, die bei jüngeren Arbeitnehmern sinkt sie. 60 Prozent der unter 33-jährigen Arbeitnehmer sprechen sich gegen die All-in-Vereinbarungen aus.

Frauen wünschen sich Anerkennung und Transparenz, Männern geht es um klare Ziele

Als wichtigste Kriterien für die Zufriedenheit mit dem eigenen Job werden die Stimmung in der Firma, eine sinnvolle Tätigkeit sowie die faire Entlohnung bezeichnet. Gegenseitiger Unterstützung im Team wird mehr Bedeutung als fachlicher Kompetenz der Kollegen eingeräumt. Zu den größten Stressfaktoren zählen die hohe Arbeitslast und mangelnde Kommunikation. Während Frauen sich mehr Anerkennung und Transparenz wünschen, geht es Männern um klare Ziele und eindeutige Briefings.

41 Prozent der Arbeitnehmer erkennen eine hohe Fluktuation, die durch Unzufriedenheit mit dem Job bedingt ist. Knapp die Hälfte der über 34-Jährigen hat sexuelle Übergriffe in der Kreativbranche bereits wahrgenommen. Bei den Jüngeren hat bereits ein knappes Drittel diese Erfahrung gemacht.

Als Frau weniger Chancen

96 Prozent der weiblichen und 79 Prozent der männlichen Freelancer empfinden sehr viel Freude an ihrer Arbeit. Etwas mehr als die Hälfte der Ein-Personen-Unternehmerinnen hat den Eindruck, aufgrund ihres Geschlechts weniger Chancen in der Branche zu bekommen. Nur einer von zehn kreativen Einzelkämpfern fühlt sich durch die tägliche Arbeit überlastet. Deutlich mehr als die Hälfte ist sich dessen bewusst, für einen angemessenen Lebensstil viel oder zu viel arbeiten zu müssen. Acht von zehn nehmen dennoch nicht an unbezahlten Pitches teil, um an neue Aufträge zu gelangen.

44 Prozent der Freelancer verbuchen einen Jahresumsatz zwischen 50.000 und 100.000 Euro. 37 Prozent der Ein-Personen-Unternehmen müssen mit weniger als 50.000 Euro pro Jahr auskommen, und 19 Prozent nehmen mehr als 100.000 Euro jährlich ein. Im Bereich der Freelancer zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen besser verdienenden Männern und schlechter bezahlten Frauen.

Nur mehr vier von zehn Angestellten sehen Vollzeit als ideal an

Dienstnehmern sind faire Bezahlung, Unterstützung im Team, Spaß am Job, gute Organisation der Arbeit und flexible Arbeitszeiten sowie die Übernahme von Verantwortung sehr wichtig. Stabilität des Jobs und der tiefere Sinn von Projekten für die Welt folgen erst auf den hinteren Rängen, ergibt die Studie. Frauen würden deutlich mehr Wert auf die Bedeutung und den Sinn ihrer Projekte als die männlichen Kollegen legen. Und nurmehr vier von zehn Angestellten empfinden eine Vollzeitanstellung als ideal. Insbesondere Frauen (44 Prozent) wünschen sich ein geringeres Arbeitsausmaß.

Nur knapp die Hälfte mit Gehalt zufrieden

Während sich jüngere Arbeitnehmer mit weniger Erfahrung tendenziell eine Geschlechterquote wünschen, stehen ältere Semester dieser Idee eher ablehnend gegenüber. Das Gehalt ist für mehr als drei Viertel der befragten Angestellten ein wichtiger Motivationsfaktor. Mit dem aktuellen Salär zeigt sich jedoch nur knapp die Hälfte zufrieden. Regelmäßige Gehaltserhöhungen kommen nur bei einem Drittel der Befragten an, obwohl acht von zehn Unternehmern angeben, die Gehälter regelmäßig anzuheben. Mehr als zwei Drittel der Arbeitgeber meinen, dass ihre Mitarbeiter mit ihren Gehältern zufrieden seien, während nur vier von zehn Arbeitnehmern mit den bisherigen Gehaltserhöhungen zufrieden sind.

36 Prozent der Angestellten haben zwischen 35.000 und 55.000 Euro Jahresbrutto am Gehaltszettel stehen. 26 Prozent bewegen sich zwischen 55.000 und 75.000 Euro Jahresbrutto. Immerhin acht Prozent der Dienstnehmer verdienen mehr als 75.000 Euro brutto pro Jahr. Zwischen Männern und Frauen zeigen sich laut Umfrage bis auf die höchste Einkommensstufe "keine signifikanten Unterschiede in der Einkommensverteilung".

Unterschiedliche Ansichten bei Führungsqualität

Etwa ein Drittel der Dienstnehmer moniert, dass vereinbarte Arbeitszeiten nicht eingehalten werden. Sieben von zehn Dienstgebern denken jedoch, Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter korrekt einzuhalten. Die Führungsqualität in der eigenen Firma wird nur von 17 Prozent der Dienstnehmer als sehr gut oder gut eingestuft, während vier von zehn Angestellten ihren Chefs ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Fast 90 Prozent der Arbeitgeber meinen jedoch, ihren Teams ausreichend Wertschätzung entgegenzubringen. Knapp die Hälfte empfindet regelmäßig psychische Belastung durch die Arbeit. Etwa zwei Drittel der Frauen und ein Drittel der Männer haben mit Depressionen oder mentaler Belastung bei zunehmendem beruflichem Druck zu kämpfen.

Verbesserungspotenzial sehen die Angestellten in höherer Wertschätzung für ihre Arbeit, mehr kreativem Freiraum, fairer Bezahlung und der Abschaffung von All-in-Verträgen sowie mehr Transparenz, Respekt, Fairness und Vertrauen.

Zwei Drittel der Arbeitgeber fühlen sich "stark oder sehr stark psychisch belastet"

Und wie sehen das die Unternehmerinnen und Unternehmer? Trotz höherer Arbeitsbelastung und Verantwortung ist das Stressempfinden in der Managementebene durch gelernte Coping-Mechanismen geringer als bei Angestellten. Ein Drittel der Arbeitgeber sieht in Budgets, Tarifen und Arbeitszeiten ein Problem. Als größte Stressfaktoren werden Kunden, die Arbeitslast und mangelnde Kommunikation empfunden. Zwei Drittel fühlen sich durch die Arbeit "stark oder sehr stark psychisch belastet". Acht von zehn Unternehmern sind überzeugt, dass ihre Mitarbeiter nicht nur einen Job in ihrem Unternehmen, sondern auch eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung gefunden haben. Über 40 Prozent ist bewusst, dass Mitarbeiter häufig Aufgaben abseits ihres Kerntätigkeitsfeldes übernehmen müssen, um Kunden zufriedenzustellen.

Die Attraktivität von Jobs in der Kreativwirtschaft sehen Arbeitgeber durch "Wertschätzung, kreativen Freiraum, attraktive Aufgaben, faire Bezahlung sowie Transparenz und Respekt" begründet. Knapp zwei Drittel der Unternehmer empfinden ihren Joballtag als stressig. 44 Prozent meinen, ihren Mitarbeitern attraktive Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Acht von zehn Arbeitgebern schätzen den regelmäßigen Austausch mit ihren Teams und das persönliche Feedback. 72 Prozent denken, dass sich die Kernbotschaften des Employer-Brandings auch im Joballtag wiederfinden.

Mehr als die Hälfte würde wieder Weg in Kreativwirtschaft wählen

Knapp die Hälfte der Freelancer und Dienstnehmer schätzt die Kreativbranche hinsichtlich Karrieremöglichkeiten als sehr gut oder gut ein, während nur 42 Prozent der Unternehmer diese Meinung teilen. Mehr als die Hälfte der Angestellten und Arbeitgeber würde auch heute wieder den Weg in die Kreativwirtschaft wählen; bei den Freelancern sind es mehr als zwei Drittel. Mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer und 13 Prozent der Ein-Personen-Unternehmen überlegen aktuell, aus der Branche auszusteigen. Mehr als vier von zehn Unternehmen sehen derzeit viele Abgänge aus der Kreativwirtschaft. (red, 5.5.2023)