Die Menschen im Land haben immer weniger Kaufkraft, wogegen die staatlichen Antiteuerungspakete nicht mehr ankommen.

Foto: IMAGO/Martin Wagner

Dass Österreichs Inflationsrate seit beinahe einem halben Jahr deutlich über jener des Durchschnitts der Eurozone liegt, könnte sich noch fatal auswirken. Nicht nur haben die Menschen im Land immer weniger Kaufkraft, wogegen die staatlichen Antiteuerungspakete nicht mehr ankommen – was insbesondere die Ärmeren im Land schmerzhaft spüren, etwa an den Supermarktkassen. Auch gefährdet Österreichs überdurchschnittlich hohe Inflation die internationale Wettbewerbsfähigkeit: Die hohen Preise führen zu hohen Löhnen, infolgedessen steigen die Arbeitskosten, und Güter aus Österreich in aller Welt sind weniger konkurrenzfähig.

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Es stimmt zwar, dass an der höheren Inflation nicht nur die türkis-grüne Regierung schuld ist. Es liegt beispielsweise auch daran, dass Österreichs Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr stärker gewachsen ist als anderswo – und wo es Wachstum gibt, geben Menschen Geld aus, sodass Preise steigen.

Die Regierung hat versagt

Aber: Die Regierung hat maßgeblichen Anteil an der überdurchschnittlich hohen Inflation. Sie hat bei deren Bekämpfung gehörig versagt.

Türkis-Grün wollte der Teuerung bisher vor allem mit einer Maßnahme begegnen: Geld zahlen, um die Menschen zu entlasten. Kaum je hat sie bei den Ursachen angesetzt, also in Preise eingegriffen oder sie zumindest strikteren Kontrollen unterworfen. Großzügige staatliche Hilfszahlungen vom Klimabonus bis zur Abschaffung der kalten Progression haben sicherlich dazu beigetragen, noch mehr soziale Härtefälle zu vermeiden. Aber – die Inflation hat sich ihretwegen nicht verringert. Heute rächt sich der österreichische Weg Monat für Monat in Form überdurchschnittlicher Teuerungsraten.

Die Mietpreisbremse zum Beispiel, also das Entkoppeln der Mieten von der Inflation, sodass sie nicht ihretwegen in die Höhe schnellen? Sie scheiterte im März an einer Blockade der ÖVP.

Oder eine Preisdatenbank, wie sie die Gewerkschaft fordert? Sie würde ein laufendes Monitoring von Preisentwicklungen ermöglichen, etwa in Supermarktketten. Doch das tat die Regierung noch bis vor kurzem als wirkungslos ab.

Oder ein Eingriff bei den sogenannten administrierten Preisen – also all jenen Zahlungen von Müllgebühren bis Gemeindebaumieten, die Bürgerinnen und Bürger an öffentliche Einrichtungen leisten müssen? Auch das gibt es in Österreich nicht, bis auf wenige Ausnahmen.

Unter Druck bahnt sich eine Wende an

Heute gerät die Regierung deshalb immer stärker unter Druck. Eine Wende in der Inflationsbekämpfungspolitik dürfte sich anbahnen. Beispielsweise bringt Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ausgerechnet jene Preisdatenbank ins Gespräch, die er noch vor wenigen Wochen strikt abgelehnt hat. Der grüne Konsumentenschutzminister Johannes Rauch indes wird am Montag Vertreter von Supermarktketten vorladen, um die Preissteigerungen zu besprechen, die aus seiner Sicht unerklärlich sind. Einflussreiche Ökonomen wie Wifo-Chef Gabriel Felbermayr machen sich zugleich für eine Neuauflage der Mietpreisbremse stark.

All das sind immerhin positive Ansätze. Denn die bisherige Inflationsbekämpfung im Land erinnert ein Stück weit an die wirtschaftspolitische Praxis der Corona-Pandemie: Wir schütten alles mit viel Geld zu, dann wird sich die Situation schon beruhigen. Doch sie hat sich nicht beruhigt. Im Gegenteil. (Joseph Gepp, 5.5.2023)