"Pieces of a Woman", eine Produktion des polnischen TR Warszawa, feiert am Eröffnungswochenende seine Österreich-Premiere im Akademietheater.

Natalia Kabanov

Ein junges Paar erwartet die Geburt seines ersten Kindes. Es soll zu Hause mit Unterstützung einer Hebamme zur Welt kommen, doch dann passiert das Unvorhersehbare: Nach den ersten Schreien des Babys stirbt dieses in den Armen der Mutter.

Im Stück Pieces of a Woman, das im Dezember 2018 am TR Warszawa in Polen seine Uraufführung erlebte, erzählen Autorin Kata Wéber und Regisseur Kornél Mundruczó von der Trauer, in der ein Paar und seine erweiterte Familie nach dem Vorfall gefangen sind. Genauer: Sie erzählen davon, wie unterschiedlich die jeweils Betroffenen mit dem massiven Gefühl des Verlustes umgehen.

In dieser Hinsicht ist Pieces of a Woman auch ein Drama, das sich gegen geschlechterstereotype Muster und das Narrativ der gefühligen Mutter sowie des rationalen Vaters wendet. Denn Maja, die junge Mutter, verhält sich anders, als die Umwelt es von ihr erwarten würde. Sie verfällt nicht in schmerzgetriebene Gefühlsausbrüche und Schuldzuweisungen, sondern versucht, das Erbe des Kindes zu schützen, das Schöne, Friedvolle der kurzen gemeinsamen Geschichte zu bewahren.

Sie will keine Rache nehmen

Während die Großmutter umgehend rechtliche Schritte einleiten möchte, um sich an der Hebamme zu rächen und um Schmerzensgeld zu erhalten, lehnt Maja jedes derartige Manöver ab. Sie will im Andenken an ihr Kind weiterleben, ohne dabei anderen Schaden zuzufügen – dadurch wird sie in der Familie zur Außenseiterin und bleibt unverstanden.

Diesen Stoff entwickelte das Künstlerpaar Wéber/Mundruczó aus persönlichen Erfahrungen sowie aus einem Gerichtsfall in Ungarn, bei dem eine Hebamme wegen Totschlags angeklagt wurde. Als Film machte Pieces of a Woman in den vergangenen drei Jahren auf internationalen Festivals Furore. Darstellerin Vanessa Kirby war mehrfach als beste Hauptdarstellerin nominiert, darunter auch bei den Oscars 2021. Die zugrundeliegende Theaterproduktion hat nun am Eröffnungswochenende der Wiener Festwochen Österreich-Premiere im Akademietheater.

Kornél Mundruczó, hierzulande zuletzt 2019 mit Liliom bei den Salzburger Festspielen zu Gast, zählt mit seinem schwergewichtigen Theater seit 2009zu den Festwochen-Protagonisten. Damals konnte das Budapester Nationaltheater noch frei von Vorgaben produzieren.

Im Jahr 2010 hievte der bis heute zwischen Film und Theater wechselnde Regisseur den irrlichternden Sorokin-Roman A jég (Ljod. Das Eis) auf die Festwochen-Bühne – er erzählt von einer mysteriösen Lichtsekte der Jelzin-Putin-Jahre. Spätestens da machte Mundruczó klar, wie viel politisches Bewusstsein in seinen Arbeiten steckt und dass dieses nach großen Formaten verlangt.

Aus Ungarn ins Ausland abgedrängt

Kräftig, laut und physisch fordernd sind also Mundruczós Theaterarbeiten und Wébers Texte. Ihrer Kompromisslosigkeit wegen wurden die beiden – wie viele ihrer ungarischen Kolleginnen und Kollegen – immer mehr ins Ausland abgedrängt. Inzwischen lebt das Paar in Berlin.

Übrigens: Besonders beeindruckend für das Festwochen-Publikum war Mundruczós Kammerspiel Scheinleben (2016), das sich am Beispiel einer Frau und ihrer Wohnung mit den Repressionen gegen Roma befasste. Die voll möblierte Wohnung drehte sich im Verlauf des Abends mit aller zerstörerischen Kraft einmal um ihre eigene Achse.

Pieces of a Woman, Akademietheater, 14. bis 18. 5., 19.30