Musik für die letzte Runde: Early James tritt am Samstag im Wiener Chelsea auf.

Foto: Jim Herrington

Man kennt diese Typen. Alte Seelen in noch jungen Körpern, die alles dazu beitragen, um ihr physisches Alter jenem ihrer Bühnenfigur anzupassen – eine ungesunde Rally kann das sein. Early James ist so eine Figur. Zwar müsste er dieser These nach Late James heißen, aber darauf pfeift er. Was kann er dafür, dass er erst 1993 geboren wurde und nicht dreißig Jahre früher? Da wäre er vielleicht im Parallelslalom mit Tom Waits als Erster ins Ziel gegangen. Oder auch nicht.

Early James heißt eigentlich Fredrick James Mullis Jr. und wird heuer 30 Jahre alt. Zwei Alben gehen bisher auf sein Konto, am kommenden Wochenende spielt er im Wiener Chelsea, es ist sein einziges Österreich-Konzert.

Early stammt aus einem Kaff aus Alabama. Als Teenager begann er die Gitarre zu spielen, holte Soundgarden und Nirvana nach und landete über andere Einflüsse beim Blues. Für irgendetwas muss eine Wiege in Alabama ja gut sein.

Easy Eye Sound

Volljährig geworden, ging er nach Birmingham rüber, schrieb Songs und spielte in kleinen Clubs, wo seine Geschichten gut hinpassen. In so einem Club entdeckte ihn zufällig Dan Auerbach und war angetan von dem, was er hörte.

Auerbach kennt man als Chef der Black Keys, er ist gewissermaßen ein Geistesverwandter Earlys – nur eben 20 Jahre und eine Weltkarriere länger im Geschäft. Auerbach erbot sich, das Debütalbum von James für sein Label Easy Eye Sound zu produzieren. Im Jahr 2020 erschien Singing for My Supper, dessen existenzieller Titel kein Zufall ist. James widmet sich in seinen Liedern grundsätzlichen Themen, wie sie der Blues immer schon behandelt hat. Liebe und Getränke. Oder auch Getränke und Liebe. Je nachdem.

Easy Eye Sound

Nachdem Auerbach sehr wohl Gespür für einen gewissen Popappeal hat, findet sich der ebenfalls auf dem Album. Genauso wie ein subkutaner Soul, der sich über die Orgel in Earlys Songs einschleicht.

Letzte Runde, bitte

Sein im Vorjahr erschienener Nachfolger heißt Strange Time To Be Alive und ist ausgeschlafener, näher am Tom Waits der 1980er-Jahre gebaut. James spielt ein bisserl Geisterhaus-Blues, der einen hübschen Rahmen für seine Geschichten bildet. Seine Stimme ist rau, die Gitarre dient sich dem Spiel eines Marc Ribot an, aber das ist ja nichts Schlechtes. Manche Balladen orientieren sich am Bar-Jazz, circa 2 Uhr 19 am Morgen, letzte Runde bitte, diese Abteilung.

Dabei bleibt James stets gefühlvoll, übertreibt es nicht ins Klischee, wofür seine Themen durchaus anfällig wären. Die Dosierung von Zutaten aus Südstaatenmusik weist den Mann als geschmacksicher und versiert aus. Auf dem Terrain ist vieles schon gesagt und fast alles schon einmal gespielt worden. Early James gelingt es dennoch, ein originäres Gebiet zu markieren. Das Konkurrenzprogramm für den Abend lautet Song Contest, es besteht also der klare Auftrag, ins Chelsea zu gehen. (Karl Fluch, 10.5.2023)