Falls sich jemand wundert, warum es keine Aufnahmen aus dem Verhandlungssaal des BVT-Prozesses gibt: Hier ist der Grund dafür.

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Wien – Dass ein aus Syrien nach Frankreich geflüchteter Brigadegeneral auf Wunsch des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad nach Österreich gebracht werden soll, dürfte im Bundesministerium für Inneres (BMI) nichts Ungewöhnliches gewesen sein. Zumindest, wenn man den Zeugenaussagen von Konrad Kogler, von 2013 bis 2017 Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im BMI, am Montag im BVT-Prozess folgt. In dem Verfahren vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Petra Schindler-Pecoraro müssen sich vier (Ex-)Beamte wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Sie sollen den General, gegen den wegen möglicher Kriegsverbrechen ermittelt wird, nicht nur ins Land geholt, sondern ihm auch widerrechtlich Asyl verschafft haben, ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) überzeugt.

Die vier anwesenden Angeklagten – ein fünfter Mann, der ranghöchste angeklagte BVT-Beamte, hält sich angeblich erkrankt in Dubai auf – weisen diese Vorwürfe zurück. Kurz zusammengefasst beteuern sie entweder, die Dienstwege eingehalten und die jeweils vorgesetzten Stellen informiert zu haben, oder wollen sich an Details nicht mehr erinnern, da sich der Kern der Angelegenheit bereits 2016 abgespielt habe.

Variationen der Lücken

Dieses Schicksal trifft auch Ex-Generaldirektor Kogler, der nach seinem BMI-Posten erst Landespolizeidirektor von Niederösterreich war und seit 2020 als Vorstand der Landesgesundheitsagentur Niederösterreich fungiert. Es sei ihm "nicht erinnerlich, dass ich informiert worden wäre", sagt er beispielsweise auf Fragen der Vorsitzenden, ein anderes mal: "Da kann ich mich nicht mehr erinnern", oder variiert: "Meiner Erinnerung nach nicht."

Ursula Schmudermayer von der WKStA würde nämlich gerne wissen, inwieweit Kogler über die angeklagte "Operation White Milk" des damaligen Bundesamtes für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung (BVT) Bescheid wusste. Am 8. Februar 2016 gab es ein "Informationsschreiben" zur Operation an Koglers Büro. Eine Woche später folgte ein zweites Informationsschreiben. Danach liest die Anklagebehörde aus dem Mailverkehr zwischen zwei Angeklagten heraus, dass einer von ihnen ein zweiminütiges Gespräch mit "HGD" (Herr Generaldirektor, Anm.) hatte und "alles Gut" sei. Auf dieses Treffen weist auch ein Terminkalendereintrag eines Angeklagten hin.

Flüchtlinge und Foreign Fighters

Ob es dabei aber um die Ins-Land-Bringung des syrischen Generals ging, will partout niemandem mehr einfallen. Kogler sagt als Zeuge, damals sei die Bewältigung der Flüchtlingsbewegung von 2015 und das Problem der "Foreign Fighters" im Bürgerkriegsland Syrien im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit gestanden, er könne sich nicht erinnern, aber auch nicht ausschließen, dass der General und oder der Mossad irgendwann erwähnt worden sei. Grundsätzlich sei eine Information an ihn über "einen Einzelfall" eher die Ausnahme gewesen.

Um einen weiteren Anklagepunkt dreht sich die Befragung einer weiteren BMI-Mitarbeiterin. Der soll der angeklagte ehemalige BVT-Referatsleiter bei einer dienstlichen Reise an den niederländischen Regierungssitz Den Haag nämlich einen Auftrag gegeben haben: Sie sollte dort das Gebäude einer NGO fotografieren, die beim österreichischen Justizministerium dem syrischen General Foltervorwürfe gemacht hatte.

Eigene Fotos statt Internet

Die Frau flog mit zur Sitzung der European Firearms Experts, bekam vom Angeklagten den Ablichtungsauftrag sowie eine Kamera und suchte das Haus zur Mittagszeit auf. Laut ihrer Darstellung kam sie bei der genannten Adresse an, machte ein paar Bilder der Fassade und der Türschilder, fuhr zurück zur Sitzung und erstattete dem Angeklagten Bericht über ihre Beobachtungen. "Die Fotos von der Außenansicht des Gebäudes sind angesichts Google Earth wenig informationsgeladen", merkt Vorsitzende Schindler-Pecoraro mit feiner Ironie an und will von der Zeugin wissen, ob sie auch Observationsaufträge gehabt habe. Die Frau verneint das.

Noch etwas interessiert die Vorsitzende: Ob der Zeugin der Auftrag nicht seltsam erschienen sei und sie nicht zurückgefragt habe, warum sie das machen solle. Die in Österreich wenig überraschende Replik. "Nein, das habe ich nicht gemacht."

"So verrückt bin ich auch nicht"

Damals verfasste der Angeklagte aus ihrer Schilderung einen Bericht, genau diesen sieht er aber als entlastend an, wie der frühere Referatsleiter erläutert, als er von Schindler-Pecoraro die Möglichkeit zur Stellungnahme bekommt. "So verrückt bin ich auch nicht, dass ich einen Bericht für mich selbst schreibe", hält er fest. Die NGO, die die Vorwürfe gegen den General erhob, sei im BVT nicht bekannt gewesen, er habe von seinem Vorgesetzten – dem abwesenden Erstangeklagten – daher den Auftrag bekommen, die Seriösität der NGO zu prüfen. Diesen Auftrag habe er an seine Untergebene weitergegeben. Seinem Bericht fügte er die Bilder bei, nachdem er bei seiner Untergebenen ihre "Touristenfotos aus Den Haag" urgiert hatte.

Am Donnerstag wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, 8.5.2023)