Im Jänner auf der Brüsseler Motorshow, vorige Woche in Mailand, jetzt in Wien. Dann geht es zurück nach Paris und anschließend womöglich nach Übersee: Citroën schickt sein cleveres Konzeptfahrzeug auf Roadshow, um eine möglichst breite Öffentlichkeitswirkung mit der Kernbotschaft zu lukrieren. Und die lautet: Alles infrage stellen, was momentan im Automobilbau sakrosankt scheint. Runter mit Masse und Komplexität, rein mit wiederverwerteten Materialien zwecks Optimierung der Nachhaltigkeit, rauf mit der Lebenszeit.

Dieses "Labor auf Rädern" soll Wege aufzeigen, wie ein Elektromobil nur eine Tonne auf die Waage bringen kann bei praktikablen 400 Kilometern Reichweite (aus einer 40-kWh-Batterie), wobei aus Effizienzgründen die Höchstgeschwindigkeit 110 km/h betragen soll, auch um den Verbrauch in den Zielkorridor von 10 kWh/100 km zu befördern. 10 kWh? Das wäre etwa die Hälfte des heutigen Durchschnitts und 20-mal so viel wie bei einem Elektrofahrrad.

Foto: Andreas Stockinger

Was die Aerodynamik betrifft, gilt der alte Spott an die Adresse des Porsche 928: entfaltet die beste Windschlüpfrigkeit im Retourgang. Die Windschutzscheibe steht nämlich, ähnlich wie beim Hummer H1, im rechten Winkel zur Motorhaube – aus gutem Grund: weniger Sonneneinstrahlung, weniger Aufheizung des Innenraums, weniger Kühlbedarf.

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Im Lastenheft stand: Elektromobilität muss sich gut anfühlen, leistbar und verantwortungsvoll sein und unbedingt auch die Citroën-typischen Komfortkriterien erfüllen. Eine Sitzprobe vorne und hinten – die Türen öffnen gegenläufig wie beim BMW i3, damit erspart man sich die B-Säule (und die Seitenscheiben lassen sich hochklappen wie weiland beim 2CV) – zeigte: In dem Kapitel steht noch ein langer Weg bevor.

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Geschenkt, denn die Grundintention zählt: Diese Fauteuils kommen mit 80 Prozent weniger Teilen aus als heute üblich und sind schon dadurch wesentlich leichter, zudem bestehen sie komplett aus rezyklierten Materialien. Kunststoff muss im Kreislauf bleiben, ein vernünftiger Ansatz, der allerdings ohnehin seit ein paar Jahren die gesamte Branche umtreibt.

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Um größtmöglichen Alltagsnutzen zu bieten, legt der Oli, der inselsächsisch "all e" ausgesprochen sein will und humoristisch betrachtet Gusto auf ein Gegenstück Stan macht, größten Wert auf hochgradige Flexibilität. Hinten etwa ist er als Pick-up ausgelegt, mit höhenverstellbarer Abdeckung und zusätzlichen Staufächern in den Seitenteilen.

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Das Material von Motorhaube, Dach und Ladefläche besteht aus Wabenkarton (aus rezyklierter Wellpappe), und das Zeug ist so stabil, da kann man darauf sitzen oder stehen. Um zum Beispiel ohne aktives Navi (Energiefresser!) ausfindig zu machen, wie weit der Stau da vorne reicht. Unter der Motorhaube befindet sich rechts ein Fach für die Ladekabel, links eines für persönliche Gegenstände.

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Und das Design? Darf durchaus, ja: soll sogar extravagant sein. Das ist Citroën sich mit seiner langen avantgardistischen Tradition schuldig. Und hier die Verheißung: Das ist nicht bloß eine spannende Fingerübung, sondern viele Oli-Ideen und Designdetails sollen sich in künftigen Modellen der Marke finden. Chapeau, Citroën. (Andreas Stockinger, 8.5.2023)

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