Loreen setzt diesmal auf eine intensive Bühnenshow.

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Elf Jahre nach ihrem Sieg mit "Euphoria" steigt die schwedische Sängerin Loreen als große Favoritin beim Eurovision Song Contest 2023 in Liverpool ein. Im ersten Semifinale singt sie "Tattoo". Gemeinsam mit der Rockband Måneskin gilt Loreen als die erfolgreichste Gewinnerin des Song Contest in den vergangenen Jahren.

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Im Unterschied zu den Italienern hatte die als Lorine Zineb Nora Talhaoui geborene Schwedin aber nach "Euphoria" kaum weitere Hits, veröffentlichte selten Alben und ging auch nicht auf Tournee. Bei den Buchmachern wird sie für das Finale am Samstag dennoch als Siegerin gehandelt. Beim Treffen in einem Hotel – wohl absichtlich fernab von Innenstadt, Lärm und Trubel – trifft man eine angespannte Loreen. Der Eindruck, dass es um viel geht, ist spürbar.

STANDARD: Wie fühlt es sich an, wieder beim Song Contest zu sein?

Loreen: Es fühlt sich surreal und zugleich überwältigend an. Es ist merkwürdig, dass mein Leben plötzlich wieder hierher führt, ohne dass ich das geplant hätte.

STANDARD: Viele Künstler, die zweimal beim Song Contest waren, sagten, dass sie sich nur an das zweite Mal bewusst erinnern könnten.

Loreen: Das kann stimmen. Aber vieles bleibt auch gleich. Ich muss mich auch hier auf meine Performance konzentrieren. Wenn ich diesen Auftritt mit 2012 vergleiche, ist er aufwendiger. Ich muss mich mehr fokussieren, benötige mehr Disziplin. Mein Ziel ist eine perfekte Performance.

STANDARD: "Euphoria" gilt als einer der größten Hits der Song-Contest-Geschichte. Das sagen nicht nur Fans. Erzeugt das Druck?

Loreen: Hm. (Denkt lange nach). Ja, der Druck ist da. Ich habe gelernt, diesen Druck in Disziplin zu verwandeln. Ich denke nicht so viel an den Wettbewerbsaspekt, obwohl dieser wesentlicher Bestandteil des Song Contest ist. Es herrscht hier so viel Liebe zueinander – trotz des Wettbewerbs. Mein Job ist die Kreativität, um meinem Publikum eine schöne Zeit zu geben und dabei authentisch zu bleiben.

STANDARD: Und ist dir das in den Proben bislang gelungen?

Loreen: Die Performance ist sehr vielschichtig, und man muss hart daran arbeiten. Alle müssen konzentriert arbeiten. Was ist meine Geschichte? Welches Ziel verfolge ich? Daran arbeite ich sehr genau.

STANDARD: Hast du zuerst entschieden, zum Song Contest zu wollen, und dann einen Song gesucht, oder war zuerst der Song da, der zu dieser Entscheidung führte?

Loreen: Ehrlich gesagt, dachte ich gar nicht an diesen Weg. Dann tauchte der Song "Tattoo" auf, zuerst ganz ohne diesen Gedanken. Nie. Ich war in diesen Song verliebt, und irgendwann stellte sich dann doch die Frage. Ich lehnte anfangs ab. Das wäre nicht mein Weg, sagte ich. Aber irgendwann denkst du dir: Wart mal. Wieso sind alle im Team so von dem Gedanken beglückt, dass ich mit diesem Song antreten soll? Dann dachte ich mir: Na gut, sollte Gott wollen, dass ich diesen Weg gehe, dann gehe ich ihn halt.


Eurovision Song Contest

STANDARD: In deinem Song kommen die Zeilen vor: "Der Schmerz ist mir egal / Ich werde durch Feuer und durch Regen gehen / Nur um dir näherzukommen". Da habe ich mir gedacht; Frauen, die Schmerzen durch Männer erfahren, sollten ihn eigentlich verlassen.

Loreen: Also, na ja, ja! Oh ja! Aber der Text hat ja auch Zwischentöne. Wenn du mich nach dem Inhalt des Songs fragst: Wir sind oft zu wenig bereit, uns für die Liebe auch Mühe zu geben. Ich glaube, das gehört zur Natur aber dazu. Es gibt keinen Tag ohne Nacht, es gibt keine Liebe ohne Mühe. Aber selbstverständlich gibt es auch Momente, da musst du aussteigen können.

STANDARD: Du willst hier gewinnen. Kannst du das Potenzial der konkurrierenden Songs trotzdem wertschätzen?

Loreen: Ich habe Favoriten. Ich liebe Blanca Paloma aus Spanien, Alessandra aus Norwegen, und ich liebe Käärijä aus Finnland. Er ist sehr authentisch. Wir haben total unterschiedliche Vibes und machen total unterschiedliche Sachen. Aber wenn wir beisammensitzen, ist es wunderbar.

STANDARD: Hast du einen Lieblingssong aus der Contest-Geschichte? Andere antworten auf diese Frage fast immer mit "Euphoria".

Loreen: Manchmal brauche ich "Rise Like a Phoenix", weil ich das Dramatische und Cineastische so liebe. Manchmal brauche ich aber auch Abbas "Waterloo". (Marco Schreuder, 9.5.2023)