Zurückgekehrt in die Arme der alten Tante Sozialdemokratie: Autor Robert Menasse, wortmächtiger Unterstützer von Andreas Babler.

Foto: Heribert Corn

Die Mitgliederbefragung läuft bis Mittwoch, zwölf Tage später soll das Ermessen von 140.000 SPÖ-Mitgliedern publik gemacht werden. Wer wird künftig die Geschicke der Sozialdemokratie bestimmen? Die gefühlt weiteste Strecke in die Zentrale in der Wiener Löwelstraße hat Andreas Babler, Bürgermeister von Traiskirchen, zurückzulegen. Doch schon jetzt begleiten den erklärten Liebling vieler Linker – nicht nur solcher mit Parteiausweis – erbauliche Worte.

Als Unterstützer und Weggenossinnen haben sich allerlei Kunst- und Kulturschaffende im Babler-Lager zusammengefunden. Zwischenhalt machen sie auf der Homepage des Kandidaten. Als ihr Sprecher und Stichwortgeber fungiert Starautor Robert Menasse.

Sein Besinnungstext, der die Liste der Sympathisierenden überstrahlt, enthält die immergrüne Botschaft der Zuversicht: "Was Menschen trennt, kann überwunden werden, auch wenn es im Moment geradezu aussichtslos scheint." Und, im Tone einer Anrufung: "Kein Zynismus: Andi Babler! Keine Phrasen: Andi Babler! Optimismus: Andi Babler!"

Tatsächlich schart sich namhafte Prominenz um "Andi" Bablers tiefrote Fahne. Elfriede Hammerl, Deborah Sengl, Beatrix Neundlinger, Andrea Maria Dusl, Petra Hartlieb oder Angelika Reitzer bilden ebenso das Aufgebot wie ihre Kollegen Menasse, Michael Köhlmeier, Gerhard Haderer, Severin Groebner, Hans-Henning Scharsach oder Eberhard Forcher, um nur ein paar zu nennen. Sie alle können sich mit der Idee der 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ebenso anfreunden wie mit der exzessiven Besteuerung ererbter Vermögen.

Alf und DJ Mike

Im Lager der beiden mit Babler um den Parteivorsitz Ringenden findet man kaum Kulturschaffende. Für Pamela Rendi-Wagner, die amtierende SPÖ-Chefin, trat bei der letzten Nationalratswahl Schlagersänger Alf gemeinsam mit DJ Mike auf. Als sich andererseits Hans Peter Doskozil um das Amt des Landesvaters in Eisenstadt bewarb, bastelte eine Schar pannonischer Künstler eine Phalanx von Schneemännern.

Das Verhältnis der Sozialdemokratie zu heimischen Künstlerinnen und Künstlern war – trotz deren vielfach geäußerten "linken" Sympathien – kaum je friktionsfrei. Sieht man von ein paar staatstragenden Personenkomitees ab, die Bundeskanzlern wie Franz Vranitzky zugutekamen, hielten Dichterinnen und Denker zu den Roten auffällig Distanz.

Freudige Wiederannäherungen wie diejenige Robert Menasses gleichen dem spontanen Furchtverlust vor dem Zahnarzt. Er sei in der Ära Gusenbauer "sehr frustriert" aus der Partei ausgetreten, so der Autor im Datum-Podcast: Die Wiedereinführung der Studiengebühren habe den Bruch eines zentralen Wahlversprechens bedeutet. Der freie Zugang zur Bildung stellt ein zentrales Vermächtnis der Ära von SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky dar (1970 bis 1983).

Häufig genug nahm die heimische Intelligenz am Biedersinn der SPÖ, an der Ignoranz vieler ihrer Vertreter, Anstoß. Mit dem Wegfall zentraler Bildungshemmnisse nach 1970 wurde die Gesellschaft "mit Demokratie geflutet". Sozialer Aufstieg war für viele Autorinnen und Autoren mit der Erklärung der Unabhängigkeit verbunden. In die Schilderung der eigenen Erfolgsgeschichte, festgehalten in Büchern zum Beispiel von Gernot Wolfgruber oder Helmut Zenker, mischten sich Trotz und Aufbegehren.

Bohren von Brettern

Die grundlegende Enttäuschung über das Paktieren in der Sozialpartnerschaft – "ein starkes langsames Bohren von harten Brettern" (Max Weber) – blieb aufrecht. Hinzu kam die Unbedenklichkeit, die man einigen SPÖ-Exponenten im Umgang mit der NS-Diktatur nachsagte. Man schob sie gleich der ganzen Sozialdemokratie in die Schuhe.

Unvergessen die Besetzung des "Auslandsschlachthofs St. Marx" in der Wiener Arena 1976 durch links Engagierte. Während die Kommunarden sich Techniken von Mitbestimmung und Selbstverwaltung aneigneten, machte die Wiener Stadt-SPÖ gegen das Projekt Front. Recht behielten am Schluss Bagger und Abrissbirnen. Im Rathaus hörten junge, frustrierte Intellektuelle währenddessen "den Kalk rieseln" (Gustav Ernst in der Literaturzeitschrift Wespennest).

Behutsam schlüpfte die Wiener Sozialdemokratie in die Rolle des Mäzens. Sie verwaltete in den vergangenen 30, 40 Jahren die Bedürfnisse der neuen Mittelschichten, indem sie Muster der alten übernahm. Sie kümmerte sich um den Fortschritt. Über die Art und Weise, wie dieser anzubahnen sei, war sie kaum jemals bereit zu diskutieren.

Suspekte Bevormundung

Ihre klügsten Kulturpolitikerinnen – wie Ursula Pasterk oder Fred Sinowatz – waren "natürliche" Ansprechpartner. Viele prominente Kulturschaffende empfanden derlei Bevormundung als von vornherein suspekt. Sie traten, wie Elfriede Jelinek, zeitweise der KPÖ bei – oder entschieden sich für politische Unbehaustheit.

Für viele von ihnen ist jetzt Traiskirchen, die von Andreas Babler regierte niederösterreichische Gemeinde, ein reizvoller Zwischenaufenthalt. Unklar scheint noch, wo sie sich auf Dauer niederlassen werden. (Ronald Pohl, 10.5.2023)