Der alte Goldsucher (Jorma Tommila) geht mit einem Messer im Rücken noch lange nicht nach Hause. Gleich wird er sich umdrehen.

Foto: Lionside/ Courtesy Everett Foundaation

Am Anfang sieht man den in der kargen und frostigen Wildnis im Norden Lapplands etwas verwahrlosten Helden Aatami Korpi (Jorma Tommila) gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auf der ewigen Suche nach Gold stoisch im Dreck wühlen. Über ihm am Himmel dröhnen deutsche Flugzeuge auf dem Weg zur nächsten Stadt, um diese niederzubomben. Auf dem Rückzug wollen die Nazis nichts als verbrannte Erde hinterlassen.

Schließlich findet der alte, mit einer beachtlichen Zahl von Narben übersäte Mann tatsächlich den Jackpot. Mit Taschen voller Gold macht er sich mit Pferd und treuem Hund auf in die Stadt. Auf dem Weg dorthin trifft er auf eine Einheit der deutschen Wehrmacht unter SS-Obersturmführer Bruno Helldorf (Aksel Hennie). Angesichts der wirklich abgrundtief böse gezeichneten Nazis, die Korpis Gold entdecken und schließlich auch rauben, wird sich der schweigsame und mürrische Finne bald grimmige Gedanken über Recht, Gerechtigkeit und Rache machen.

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Rache wird im von Regisseur Jalmari Helander geschriebenen und inszenierten Actionthriller Sisu im Kalten serviert. Es wird deshalb heiß hergehen. Das Motto lautet: Mit einem Messer im Rücken, einem Steckschuss im Bauch – oder im Körper gut verteilten Tretminensplittern – geht unser Held noch lange nicht nach Hause. Aatami Korpi schießt das "sisu" ein.

Man kann diesen finnischen Begriff nicht wirklich übersetzen, weil er einer ganzen Lebenseinstellung entspricht. Er steht unter anderem für Entschlossenheit, Widerstandskraft, Mut, Tapferkeit, Sturheit und Durchhaltevermögen. Man kann aber auch einfach feststellen: Unserem Sisu-Mann geht wegen der sadistischen und gierigen Nazis bis zum herrlich depperten und over the top angelegten Finnisch, Entschuldigung, Finish, das Geimpfte auf – und nicht mehr zu.

Panzer im Neandertal

Mehrmals vermeintlich getötet, steht unser Held immer wieder auf. Wenn es sein muss (und es muss!), flickt sich Korpi selbst zusammen. Er überlebt sogar eine Nacht am Galgen. Reine Willenskraft! Die Fäuste sind so stark geballt, dass die Knöchel weiß werden. In einem der wenigen und comic-haften Dialoge im Film lernen wir, dass es bei Sisu nicht darum geht, dass am Ende der Stärkere gewinnt. Es geht darum, dass ein Mann schlicht und einfach nicht dazu bereit ist, aufzugeben.

Die Gehirnaktivität während eines Akts der Vergeltung entspricht laut Wissenschaft übrigens einer neuronalen Erregung jener Hirnareale, die auch durch Drogen und Sex angesprochen werden. Im Neandertal hilft dir dann im Fall der Abwehr von so viel ungebändigter Manpower nicht einmal ein deutscher Kampfpanzer.

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Die Nazis sind gewarnt worden, immerhin handelt es sich bei unserem Helden um eine legendäre finnische Ein-Mann-Armee. Vor dem Einmarsch der Nazis hat Korpi an die dreihundert böse russische Soldaten unter die Erde gebracht, die zuvor seine Familie getötet haben. Körperteile fliegen durch die Gegend, Maschinengewehre knattern, Blut spritzt. Quentin Tarantino hätte diese Mischung aus beherzt gedrehter Rambo- oder John Wick-Variation, Italowestern und Schmutz-und-Schund-Film aus den Hinterhofkinos der 1970er-Jahre ähnlich, aber mit mehr Witzen gedreht.

Ein Problem wird laut Psychologie bezüglich Rache allerdings virulent. Das Objekt der Vergeltung muss seine Schuld, etwas falsch gemacht zu haben, einsehen können. Das geht nicht, wenn man ein Jagdmesser im Kopf stecken hat und das pädagogische Ziel der Rache nicht erreicht wurde. Dann schmeckt Rache nicht süß, sondern letztlich bitter. Menschlich bringt uns das kaum weiter. (Christian Schachinger, 10.5.2023)