Donald Trump wurde schuldig gesprochen. Aber wofür genau? Und welche Auswirkungen könnte das auf seine Präsidentschaftskandidatur haben? Angesichts der vielen Vorwürfe gegen den ehemaligen US-Präsidenten ist es gar nicht so leicht, den Überblick zu bewahren. DER STANDARD hilft hier mit einer Einordnung.

Video: Sexueller Missbrauch: Trump muss fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld bezahlen
DER STANDARD

Frage: Was genau ist passiert?

Antwort: Trump wurde am Dienstag in New York von einem Zivilgericht schuldig gesprochen. Er muss der Journalistin E. Jean Carroll fünf Millionen Dollar (4,53 Millionen Euro) Schadenersatz zahlen. Neun Geschworene waren nach nicht einmal drei Stunden Beratung einstimmig der Meinung, dass Trump sie sexuell missbraucht und verleumdet hat. Den Vergewaltigungsvorwurf wiesen sie ab. Da es sich um ein Zivilverfahren handelt, ging es von Anfang an nicht um eine Haftstrafe, sondern um eine finanzielle Entschädigung.

Missbrauch im Bundesstaat New York im zivilrechtlichen Sinn wird in drei Kategorien eingeteilt: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und erzwungene Berührung. Ersteres bedeutet, Geschlechtsverkehr durch physische Gewalt zu erzwingen. Zweiteres, wofür Trump schuldig gesprochen wurde, heißt, sexuellen Kontakt durch physische Gewalt zu erzwingen, etwa indem man die Geschlechtsteile einer anderen Person berührt. Erzwungene Berührung bedeutet, durch ein An-sich-Pressen oder Reiben an einen anderen Körper einen Druck auf die Geschlechtsteile einer anderen Person auszuüben.

Trump-Gegner demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude.
Foto: Getty/Spencer Platt

Frage: Wie waren die Reaktionen?

Antwort: Trump, der nicht vor Gericht erschien, kommentierte das Urteil auf seiner Plattform Truth Social folgendermaßen: "Dieses Urteil ist eine Schande – eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten. Ich habe absolut keine Ahnung, wer diese Frau ist."

Sein Anwalt Joseph Tacopina sprach von einem "merkwürdigen Urteil" und erklärte, Trump "ist stark. Er ist bereit, weiterzumachen. Er wird mit einer Berufung dagegen ankämpfen."

E. Jean Carroll verließ lächelnd das Gerichtsgebäude, gab aber gegenüber den wartenden Journalisten keinen Kommentar ab. Ihre Anwältin Roberta Kaplan sagte im Vorbeigehen: "Wir sind sehr zufrieden."

Frage: Worum ging es in dem Prozess genau?

Antwort: Die heute 79-jährige Carroll warf dem nun 76-jährigen Trump vor, sie Mitte der 90er-Jahre vergewaltigt zu haben – Ende 1995 beziehungsweise Anfang 1996. Damals kaufte sie in einem Luxusgeschäft in Manhattan ein und traf den Immobilienmogul Trump beim Ausgang. Die beiden sollen sich bereits einmal zuvor gesehen haben, und Carroll gab an, dass Trump sie darum gebeten habe, ihm bei der Auswahl von Unterwäsche für "ein Mädchen" zu helfen.

Sie sei ihm gefolgt, und beide hätten gescherzt, wer denn nun die Kleidung anprobieren müsse. Trump soll Carroll in die Umkleidekabine gedrängt, sie an die Wand gedrückt und seinen Penis in sie gepresst haben. Nach einem "gewaltigen Kampf", wie Carroll sagt, konnte sie ihn abschütteln und flüchten.

Eine lächelnde E. Jean Carroll verlässt das Gerichtsgebäude.
Foto: Getty / Spencer Platt

Frage: Wieso kam es erst jetzt zum Prozess?

Antwort: Kurz nach den Zwischenfällen erzählte Carroll zwei Freundinnen davon. Eine riet ihr, zur Polizei zu gehen. Doch die Vorstellung, dass sie ein Opfer von Vergewaltigung geworden sei, habe ihr nicht behagt, daher hat sie lange keine rechtlichen Schritte eingeleitet.

2022 wurde dann im Bundesstaat New York der Adult Survivors Act erlassen. Dieser ermöglicht es Betroffenen von sexuellen Übergriffen, deren Fälle bereits verjährt wären, binnen eines Jahres eine Zivilklage gegen den Täter oder die Täterin einzureichen. Strafrechtlich bleiben etwaige Vorwürfe verjährt. Carroll war eine der ersten Personen, die im November 2022 eine Anzeige eingebracht haben.

Frage: Welche Auswirkungen hat das Urteil auf Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur?

Antwort: Rechtlich gar keine, da es sich eben um einen Zivilprozess gehandelt hat. Ob sich die Wählerschaft von diesem Schuldspruch beeinflussen lässt, ist schwer zu sagen. Der republikanische Wahlkampfstratege Charlie Gerow sieht es so: "Die Trump-Gegner werden dabei bleiben, die Trump-Befürworter werden sich nicht ändern, und die ambivalenten Wähler werden sich von solchen Dingen nicht beeindrucken lassen."

Frage: Welche anderen rechtlichen Probleme drohen Trump noch?

Antwort: Ende März wurde Trump als erster ehemaliger US-Präsident strafrechtlich angeklagt. Der Manhattaner Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg wirft ihm vor, mit Schweigegeldzahlungen an zwei Frauen versucht zu haben, seine Chancen bei der Präsidentenwahl 2016 zu erhöhen und damit gegen Wahlgesetze verstoßen zu haben.

Abgesehen davon wird auch Trumps Verstrickung in den Kapitol-Sturm von 2021 untersucht. Das könnte schon heikler für ihn werden, denn es sind laut Verfassung all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben. Diesbezüglich wurde vergangene Woche mit Mitgliedern der Proud Boys eine zweite rechtsradikale Miliz für den seltenen Strafbestand "aufrührerische Verschwörung" verurteilt.

Zudem ist in Georgia ein Verfahren wegen seines Versuchs anhängig, das dortige Wahlergebnis manipulieren zu lassen. Darüber hinaus geht ein Sonderermittler des Justizministeriums Vorwürfen nach, Trump habe strenggeheime Dokumente nach seiner Amtszeit bei sich zu Hause gehortet und auch nach Aufforderung der zuständigen Stellen bewusst nicht herausgegeben. Manche Rechtsexperten meinen, mit einer etwaigen Anklage dazu könnte sich Trump womöglich für das Präsidentenamt disqualifizieren. (Kim Son Hoang, 10.5.2023)