Eine lächelnde E. Jean Carroll verließ den Gerichtssaal nach dem gewonnenen Prozess gegen Donald Trump.

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Mehr als zwanzig Jahre lang gab die heute 79-jährige E. Jean Carroll Frauen in ihrer Kolumne für "Elle" Ratschläge – wie sie sich in einer männerdominierten Welt behaupten und gegen gewaltbereite Partner und Vorgesetzte zur Wehr setzen können: anzeigen, laut sein, sich nicht unterkriegen lassen. Lange Zeit jedoch hörte die Journalistin nicht auf ihre eigenen Tipps und behielt einen sexuellen Übergriff des Immobilienmoguls und späteren US-Präsidenten Donald Trump in den 90er-Jahren für sich.

In einem Artikel für das "New York Magazine" brach sie 2019 schließlich ihr Schweigen und beschrieb die Attacke in einem Luxusgeschäft in New York City. Carroll sagte selbst, dass sie sich im Licht der MeToo-Bewegung als "Betrügerin" gefühlt habe, weil sie als feministische Kolumnistin ihre eigenen Erfahrungen verschwieg.

Carroll ist eine der prominentesten Betroffenen von sexueller Gewalt durch berühmte Männer. Geboren 1943 als Betty Jean Carroll – und nur "Jeanie" genannt –, wuchs sie gemeinsam mit ihren drei Geschwistern auf einer Ranch in Montana auf. Später änderte sie ihren Namen auf Elizabeth Jean Carroll und kürzte ihn in der Autorinnenzeile zu ihrem ersten Text für das Magazin "Esquire" auf E. Jean Carroll ab.

Große Reportagen

Schnell machte sich die junge Journalistin einen Namen. Bereits Jahre vor dem Treffen mit Donald Trump reiste sie für den "Playboy" durch Papua-Neuguinea auf der Suche nach dem "primitiven Mann", schrieb für die TV-Show "Saturday Night Live" oder porträtierte für "Esquire" den Autor und Journalisten Hunter S. Thompson. Und wurde 2019 selbst in der "New York Times" als weibliche Antwort auf Thompson beschrieben. Auf der von ihr mit begründeten Datingplattform GreatBoyfriends.com konnten Frauen ihre Ex-Partner weitervermitteln.

Carroll selbst hielt sich über ihr Privatleben stets bedeckt. Zweimal soll sie verheiratet gewesen sein. Einmal mit dem ehemaligen "National Geographic"-Redakteur Stephen Byers, der sie jüngst als "sehr ehrenwerte Frau" bezeichnete. Und einmal mit dem TV-Moderator John Johnson, der sich nicht öffentlich zu Carroll äußert und dem sie vorwirft, gewalttätig gewesen zu sein.

Romantisch oder sexuell war keine der Beziehungen, wie Carroll nach der Veröffentlichung der Übergriffe durch Trump sagte: Der Ex-Präsident habe ihr mit seiner Attacke "das Verlangen nach dem Verlangen genommen". Für das erlittene Leid durch Trump sprach eine Jury ihr diese Woche eine Entschädigung von fünf Millionen US-Dollar zu. (Bianca Blei. 10.5.2023)