Es wird unter anderem befürchtet, dass Jugendliche das System mit VPN-Diensten umgehen könnten.

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Es ist alles andere als ein Randphänomen: Ein Drittel der französischen Schülerinnen und Schüler haben auf ihrem Handy oder Computer schon Pornoseiten konsumiert, wie Familienverbände eruiert haben. Noch gravierender: Auf gewissen Pornoadressen sind bis zu 40 Prozent der User unter 18 Jahre alt. Wer in Frankreich solche Adressen aufruft, muss zwar sein Alter angeben. Ob die Angabe stimmt, prüft aber niemand.

Das soll sich nun ändern. Die Regierung in Paris hat am Mittwoch ein Gesetz präsentiert, das Minderjährigen den Zugang zu Pornoseiten faktisch verwehren will. Die große Frage war, wie das zu geschehen hat. Eine vorberatende Kommission prüfte drei Methoden, um minderjährige Porno-User herauszufiltern. Zwei wurden verworfen:

  • Die Identifizierung über eine Kreditkarte bietet zu viele Umgehungsmöglichkeiten, zumal in Frankreich auch Minderjährige solche Bezahlkarten besitzen können.
  • Die Gesichtserkennung via Handy- oder PC-Kamera ermöglicht die Altersschätzung mittels künstlicher Intelligenz, öffnet aber Missbrauch durch skrupellose Pornoanbieter Tür und Tor.

Umgesetzt werden soll eine dritte Option, die nun vom neuen Gesetz zugelassen wird. Das Vorgehen klingt kompliziert, ähnelt aber im Kern dem Vorgehen beim Warenkauf via Internet: Wer eine Pornoseite besuchen will, muss in Zukunft eine digitale Genehmigung durch eine administrative Drittstelle beibringen. Das kann eine Bank, ein Telekom- oder Energieprovider sein. Diese Stellen haben die Altersauskunft auf automatisierte Weise zu erteilen, ohne dass sie selbst erfahren, warum das Gesuch gestellt wurde. Der Pornokonsum soll so anonym bleiben.

Dieses System wird in Frankreich seit März getestet. Die Resultate sollen eher ermutigend sein. Die Kontrollen könnten noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Datensicherheit und Schlupflöcher

Informatiker sehen allerdings eine steigende Gefahr von Missbräuchen, wenn nicht nur die Pornoseiten, sondern auch dritte Institutionen Alterszertifikate ausstellen. Das denkt auch die Fachfrau für Cybersicherheit, Corinne Henin: "Die Chance, dass diese Daten in falsche Hände gelangen und Pornoseiten-Besucher damit erpresst werden können, wird größer."

Henin sieht eine weitere Schwachstelle, nämlich Schlupflöcher über VPNs. Ein "Virtual Private Network" ermöglicht es zum Beispiel mit einem Abonnement, über das Ausland auf Seiten zuzugreifen, die im Aufenthaltsland gesperrt sind. Das französische Pornoverbot für Minderjährige ließe sich damit umgehen. Digitalminister Jean-Noël Barrot räumt ein, dass das System "nicht zu 100 Prozent sicher" sei, da heute auch schon Elf- und Zwölfjährige die VPN-Technologie kannten. Das seien aber Ausnahmen, den meisten Minderjährigen werde der Pornozugriff künftig verwehrt.

Strenger als die EU

Frankreich geht mit der Pornosperre für Junge jedenfalls weiter als andere Länder. Und auch als die EU: Brüssel will im Herbst den Digital Services Act vorstellen, der allerdings auf rigorose Kontrollen wie etwa das französische Alterszertifikat verzichtet.

In Paris halten Informatiker das französische Gesetz für sinnvoller als das Vorgehen einzelner US-Staaten. Utah unterbindet den Pornokonsum zum Beispiel von 22.30 bis 6.30 Uhr, Louisiana verlangt das Einscannen eines Identitätsausweises.

Das französische Informatikgesetz versucht auch weitere Aspekte wie Cybermobbing und kommerzielles Belästigen in den Griff zu kriegen. Die Bußen und Haftstrafen für Missetäter werden erhöht. Die Umsetzung scheint in diesen Fällen aber noch schwieriger als im Bereich der Pornografie. (Stefan Brändle aus Paris, 10.5.2023)