Die Fauna Australiens ist berüchtigt für ihre giftigen Tiere, die dort kreuchen und fleuchen und immer wieder auch unter Menschen für Todesopfer sorgen. Eine Raubwanzenart ist zwar für Menschen nicht weiter gefährlich. Aber diese Art hat eine ziemlich einzigartige – oftmals tödliche – Jagdtechnik entwickelt, in der Fachleute nun gar eine Art von Werkzeuggebrauch erkennen, der damit auch für Insekten dokumentiert wäre.

Diese Mordwanzenart verwendet ein ziemlich klebriges Werkzeug, um damit ihre Beute erfolgreicher zu jagen.
Soley und Herberstein, Biology Letters, 2023

Ein Teil der Raubwanzen werden auch Mordwanzen genannt. Ihnen gemeinsam ist die eher unangenehme Art und Weise, wie sie ihre Beute töten: In der Regel durchbohrt das Insekt das Opfer mit dem Rüssel und pumpt Verdauungsenzyme ins Innere, die das Opfer lähmen und töten. Danach wird es ausgesaugt, bis nur noch eine leere Hülle zurückbleibt.

Raffinierte Jagdtechnik

Die aus Österreich stammende Biologin Marie(lla) Herberstein und ihr Kollege Fernando Soley (Macquarie University in Sydney) stellten kürzlich im Fachblatt "Biology Letters" eine wenig erforschte australische Raubwanzenart namens Gorareduvius sp. vor, die über eine besonders raffinierte Jagdtechnik verfügt: Diese Wanzenart bedient sich zum Beutefang eines speziellen Harzes, das von einer vor allem in Australien heimischen Süßgrasgattung namens Spinifex hergestellt wird.

So tragen die Mordwanzen den Klebstoff auf ihre Vorderbeine auf.
ScienceAlert

Es war bereits bekannt, dass die Insekten die leimartige Substanz sorgfältig auf ihrem Körper und insbesondere auf ihren Vorderbeinen auftragen. Als Grund für die Vorgehensweise wurde vermutet, dass diese spezielle Technik bei der Jagd hilfreich sein könnte. Soley und Herberstein konnten diese Vermutung nun experimentell bestätigen, indem sie 125 dieser Mordwanzen sowohl in freier Wildbahn als auch unter Laborbedingungen bei der Jagd beobachteten.

Die grünen Pfeile weisen auf die Harzdepots hin, die von den Wanzen angelegt wurden.
Foto: Soley und Herberstein, Biology Letters, 2023

Experimentelle Bestätigung

Im ersten Schritt konnten sie nicht nur den Gebrauch des Harzes der Spinifex-Grasart Triodia bitextura bestätigen, das übrigens auch von den Aborigines zur Herstellung von Jagdwerkzeugen benutzt wurde. Das Biologenduo konnte auch beobachten, dass selbst frischgeschlüpfte und isolierte Nymphen sich mit Harz bestrichen, was darauf hindeutet, dass dieses Verhalten angeboren ist.

Im zweiten Schritt nahmen die Forschenden 26 Insekten mit in ihr Feldlabor, setzten sie in ein Glasgefäß, das mit Fliegen und Ameisen als Beutetiere bestückt wurde, und zählten die erfolgreichen Fangversuche. Für das Kontrollexperiment wurden Raubwanzen ihres Harzes beraubt, indem es vorsichtig von den Vorderbeinen entfernt wurde. Danach durften die Insekten abermals nach Fliegen und Ameisen jagen. Im Vergleich beider Versuchsanordnungen zeigte sich, dass den mit Harz überzogenen Raubwanzen 26 Prozent mehr Opfer auf den Leim gingen als den entharzten.

Die Raubwanze bei Jagdversuchen.
ScienceAlert

Keine Erfolgsgarantie ...

Die Beute haftete zwar nie vollständig an der klebrigen Oberfläche der Wanzen an, wie Soley und Herberstein berichten. Vielmehr scheint die vorübergehende Berührung mit dem Harz die Reaktion der Beutetiere so weit zu verzögern, dass die Mörderwanzen ihre Beute ergreifen und erstechen können. Das Harz sei zwar keine Erfolgsgarantie bei der Jagd – aber ein probates Mittel, um die Beute so weit zu verlangsamen, dass die Mordwanze sie packen und töten kann.

... aber Form von Werkzeuggebrauch

Für Soley und Herberstein entspricht diese Jagdtechnik der weitverbreiteten Definition von Werkzeuggebrauch bei Tieren. Die Raubwanzen manipulieren nämlich ein Objekt aus der Umwelt (eben das Harz), indem sie es aus seinem üblichen Kontext herausnehmen, auf ihren Körper auftragen und sich so einen Selektionsvorteil durch höheren Jagderfolg verschafften, resümiert das Autorenduo. Womit auch bei Insekten die Verwendung von Werkzeugen bewiesen sei. (Klaus Taschwer, 13.5.2023)