Sebastian Kurz begeisterte rund um seine Übernahme der ÖVP zahlreiche zahlungswillige Persönlichkeiten.

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Die Finanzen der ÖVP – und da vor allem die Parteispenden – halten die Behörden spätestens seit Auffliegen der Causa Ibiza mächtig auf Trab. Als Sebastian Kurz die Volkspartei im Mai 2017 als Parteiobmann übernahm, herrschte in den Kassen der ÖVP ziemliche Ebbe – dessen ungeachtet hat sich die Partei in den Monaten darauf einen der teuersten Wahlkämpfe ihrer Geschichte geleistet.

Zum Geldregen haben nicht nur Banken mit Krediten beigetragen, sondern auch großzügige Spenderinnen und Spender. Um wie viel Geld es da ging und ob die edle Unterstützerschaft dafür irgendwelche Goodies oder sonstiges Entgegenkommen erhalten hat, beschäftigte zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse (Ibiza, ÖVP-Korruption) – die Ermittler beschäftigt die Frage auch jetzt noch.

Diskrete Spenderlisten

Ein neuer "Sichtungsbericht zu Spendenaktivitäten, Spendenvorbereitungen und Spenden von Mitte 2016 bis 2018 für Sebastian Kurz bzw. Die Neue ÖVP" vom 10. Mai erlaubt nun tiefe Einblicke, wie die damals frische türkise Bewegung rund um Kurz ihre Kassen gefüllt hat. Da wurden penibel Listen potenzieller Spender angelegt und abgearbeitet, zudem exklusive Treffen mit Kurz organisiert.

Ein Fachexperte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat für seine Arbeit nicht nur vom Rechnungshof geprüfte Aufzeichnungen der ÖVP, sondern auch E-Mails und Chatverläufe durchforstet.

Eine zentrale Rolle im Bericht nimmt Lobbyistin Gabriela "Gabi" Spiegelfeld ein. Sie hat auch vor dem U-Ausschuss ausgesagt und ließ da mit dem Satz aufhorchen: "Ich bin auch nicht mit einem Klingelbeutel oder mit einer türkisen Schuhschachtel herumgelaufen und habe gesagt: 'Da können Sie jetzt etwas hineinlegen.'" Sie habe vielmehr diverse Veranstaltungen für die ÖVP organisiert, weil sie damals von Kurz begeistert gewesen sei.

Mitstreiterinnen

Laut Bericht des WKStA-Experten organisierte Spiegelfeld im Jahr 2016 sieben und im Jahr 2017 fünf Events für Kurz und sein Team mit. Ab Dezember 2016 habe man Anhaltspunkte für ihre "unmittelbare Mitwirkung am Spendensammelablauf" für Kurz gefunden. Dabei habe sie zwei "enge Mitstreiterinnen" gehabt: Teresa Pagitz und Theresia Niss. Erstere, im Hauptberuf Hotelière, wurde später unter Türkis-Blau in den ÖBB-Aufsichtsrat bestellt, Letztere, Managerin bei der von ihrem Großvater gegründeten Mitterbauer Beteiligungs AG (Miba), zog mit Kurz in den Nationalrat ein und ist nach wie vor Abgeordnete.

Wie das ablief, zeigt etwa eine E-Mail an den damaligen ÖVP-Geschäftsführer Axel Melchior und an Spiegelfeld, die vom 28. April 2017 – also kurz vor der Übernahme der Obmannschaft durch Kurz – stammt. "Lieber Axel, bitte verzeih, dass ich heute so pushy war, ich wollte mich hier nicht irgendwie aufspielen, ich versuche nur irgendwie, die (immer sehr netten Termine) ein bisschen zu strukturieren (…)", schrieb Niss. Ihr Vorschlag: regelmäßige Meetings im Abstand von zwei Wochen samt einer Tagesordnung, in der "Gabi" für "Finanzielles" zuständig sei. Sie habe nie etwas mit einer Verbuchung zu tun gehabt, lediglich Kontakte gehabt, die sich für Sebastian Kurz und seine Bewegung interessierten und etwas für ihn tun wollten, sagt Spiegelfeld auf Anfrage. Niss wollte sich nicht äußern.

Eine andere E-Mail zeigt, wie Pagitz Informationen über zwei potenzielle Spender an Spiegelfeld übermittelte. Die antwortete, dass "Beträge unter 15.000,– über uns gehen sollten". Gemeint sei da gewesen, dass Spender keinen Kontakt mit der ÖVP-Bundespartei aufnehmen, sondern das Formular auf der Homepage benutzen sollten. Niss meinte auch, dass für einige "vielleicht nochmals ein Abendessen/Frühstück mit Sebastian nicht schlecht wäre ..." Auch aufs Formale vergaß die Abgeordnete nicht: Sie fragte Melchior, ob sie gleich einen Spendenvertrag mitnehmen sollte.

Eine "Kurz-Sammlung" fand die WKStA auch bei einem zumindest damals ÖVP-affinen Immobilienunternehmer, der "mit Spiegelfelds befreundet und geschäftlich verbunden ist", wie es in dem Expertenbericht heißt. Er schrieb Spiegelfeld, sie solle "bitte die Liste führen, ich helfe dir gern beim Geldsammeln". Sein Beitrag für die Liste waren zwei "Spendenwillige" (WKStA), wobei jener, der für 50.000 Euro gut erschien, "aber Dinner mit SK" (also Sebastian Kurz) bedinge. Absagen für Events mit Kurz wurden mit großer Bestürzung aufgenommen. Das zeigen Mails zwischen Kurz’ Assistentin und Spiegelfeld: "J. kommt nicht!", wurde Letztere informiert, das sei aber "kein Problem, oder?". "Nein – wär ein Zahler", antwortete Spiegelfeld. "Oh, na das ist blöd ... schade", quittierte das die Assistentin.

Keine Novomatic-Spenden

Nicht fündig wurden die Ermittler allerdings bei ihrer Suche nach Belegen für etwaige Spenden des Glücksspielkonzerns Novomatic oder seines damaligen Chefs Harald Neumann. Dieser hatte ja einst in einem Chat geschrieben, er brauche einen Termin bei Kurz, unter anderem wegen einer Spende. Das hat dann Ermittlungen gegen Neumann und Gernot Blümel (ÖVP), der diesen Chat erhalten hatte, ausgelöst. Sowohl Novomatic als auch ÖVP haben Geldflüsse bestritten.

Der Experte hält fest, dass Neumann zwar auf Einladungslisten zu finden ist, teilgenommen habe er wohl aber nur an wenigen Terminen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 11.5.2023)