Anstatt den Austronauten bei ihrer Odyssee im Weltraum zu helfen, dreht der KI-Bordcomputer ihnen die Luft zum Atmen ab.

Foto: imago images/Ronald Grant

Man kann es Übersättigung nennen. Über künstliche Intelligenz habe ich in den vergangenen Wochen so viel zu lesen bekommen, dass das Erspähen der Abkürzung AI (respektive KI, in deutscher Übersetzung) mittlerweile zuverlässig einen Drüberhinweglesen-Impuls in meinem Gehirn provoziert. AI, KI = ein Weggucker.

Ich spreche als Skeptiker und gebranntes Kind. Was hat man uns damals nicht alles versprochen, als die "sozialen Medien" aufkamen: eine gepflegte, gehaltvolle Kommunikation über alle Kontinente hinweg; einen demokratiefördernden Gedankenaustausch mündiger Bürgerinnen und Bürger zu jeder Tages- und Nachtzeit. Was für ein anthropologisch unfundierter Kokolores.

Nutzen oder Schaden

Bekommen haben wir einen globalen Tummelplatz für Quer- und Knallköpfe aller Art, die ihre Wahnwitzigkeiten rund um die Uhr unredigiert ins Netz stellen. Gelegentlich findet man auch ein freundliches Wort, aber nur zwischen zwei Shitstürmen. Der Homo sapiens in seiner ganzen mittelprächtigen Ambivalenz.

Und jetzt also die AI. Wir setzen sie erst einmal im großen Stil aus und schauen dann, was passiert. Wird sie uns nutzen, wird sie uns schaden? Ist sie lieb, oder bringt sie uns um? Ich muss immer wieder an den Bordcomputer HAL 9000 in 2001: Odyssee im Weltraum denken. In diesem Film hat sich bekanntlich Stanley Kubrick gemeinsam mit dem Autor Arthur Clarke dem Thema in angemessener Galligkeit gewidmet.

Vorbildliches Killermaschinchen

Anfangs benimmt sich HAL ganz vorzüglich. Er blickt seine Herren aus seinem orangeroten Auge mild an, spricht sanft, rückt ihnen die Kopfstützen zurecht oder vertreibt ihnen die Zeit mit einer Partie Schach. Ein ganz Netter also. Nur verfällt er dann leider nach und nach der Paranoia und dreht den Astronauten das Gas und den Strom und die Luft zum Atmen ab. Ein Killermaschinchen, wie es im Buche steht.

Das kann also was werden, wenn wir künftig nicht nur einen HAL herumstehen haben, sondern zigtausende, als Ersatz für Lehrer, Ärztinnen, Juristen und natürlich Politiker. Die Politiker-HALs werden uns mit orangeroter Milde anblicken, uns jeden Wunsch von den Augen ablesen und uns mit ihrem Lego-Vokabular, auf das sie trainiert sind, einschleimen. Sollten wir ihnen allerdings blöd kommen, dann räumen sie uns aus dem Weg. Schöne Aussichten. (Christoph Winder, 13.5.2023)