Schon in den vergangenen Tagen soll sich Harry Kopietz zurückgezogen haben. Der Gesundheitszustand des 74-jährigen Urgesteins der Wiener SPÖ habe sich zuletzt immer weiter verschlechtert, wird erzählt. Der Blutdruck sei durch Stress rund um die rote Kampfabstimmung nach oben geschnellt. Nach etlichen Jahren habe Kopietz, der schon einmal Probleme mit dem Herzen gehabt haben soll, wieder eine unangenehme Enge in der Brust verspürt. Für Kopietz ging es nicht weiter.

Das politische "Schlachtross", wie Kopietz von Weggefährten wertschätzend genannt wird, war bis Donnerstagnachmittag Leiter der parteiinternen Wahlkommission. Diese wacht derzeit über die tags zuvor zu Ende gegangene Mitgliederbefragung der SPÖ. Kopietz hatte also gerade jetzt eine eminente Position inne. Auf ärztlichen Rat hin trat der ehemals engste Vertraute des früheren Wiener Bürgermeisters Michael Häupl aber nun überraschend zurück. "Der Grund dafür ist Mobbing", sagt ein Genosse.

Zog sich am Tag nach dem Ende der Mitgliederbefragung zurück: der langjährige SPÖ-Funktionär Harry Kopietz.
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Auf Kopietz sei von einzelnen Mitgliedern in den vergangenen Wochen täglich Druck ausgeübt worden – mit Anrufen, SMS und E-Mails, heißt es. Dabei sollen beispielsweise Beschlüsse betreffend der roten Basiswahl infrage gestellt worden sein, ebenso der Notar, von dem der Prozess der Mitgliederbefragung zusätzlich begleitet wird.

Parteiinterne Angriffe

Aber Kopietz war auch selbst ins Visier parteiinterner Angriffe geraten. Eine anonyme Stimme machte ihm medial seine Zugehörigkeit zu den Hauptstadt-Roten zum Vorwurf, da sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig explizit für Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ausgesprochen hatte. Daher, so die Kritik, sei Kopietz nicht überparteilich und als Leiter der Wahlkommission ungeeignet. Die Kritik wurde dem Lager von Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil zugerechnet. Kopietz verkündete daraufhin, "aller Wahrscheinlichkeit nach nicht" an der Befragung teilnehmen zu wollen, um ein Zeichen zu setzen.

Dass Kopietz ausgerechnet am Tag nach Befragungsende zurücktrat, sei ein "blöder Zufall", befindet ein weiterer Funktionär. "Wäre er fit gewesen, würde er es wie gewohnt im Dienste der Partei weiter durchziehen." Aus Sicht des Genossen hätte Kopietz mehr Unterstützung benötigt: "Eine Mitgliederbefragung zu organisieren ist nicht ohne."

Für Kopietz, der eine Nachricht des STANDARD unbeantwortet ließ, rückte nun dessen Stellvertreterin nach: die Steirerin Michaela Grubesa. Sie unterstützt Doskozil bei der Vorsitzwahl, wie auch ihr Lebensgefährte Max Lercher, derzeit roter Nationalratsabgeordneter.

Grubesa denkt nicht daran, dass ihr ihre Präferenz schaden könnte. Sie will vor allem Unsicherheiten beseitigen, die sich zuletzt um die Basiswahl aufgetan hatten. Experten machten auf mögliche Sicherheitslücken bei der digitalen Abstimmung aufmerksam. Und dann flog der SPÖ ein Besuch der Wahlkommission in der Firma um die Ohren, die für die Auszählung der Briefwahlstimmen zuständig ist.

Dort soll sich anhand der Stapelgröße ein Trend für Doskozil gezeigt haben, berichtete die Krone. Gesehen hätten die Roten dort aber vor allem einen bereits "sortenreinen" Karton und wie die Stimmen eingescannt werden, erzählt jemand, der dabei war. Ein Vorteil lasse sich daraus nicht ableiten. Sogar die Handys habe jeder abgeben müssen.

Ausgezählt wird bis 22. Mai. Um das friktionsfrei zu gestalten, will Grubesa Wahlzeugen der drei Kampagnen von Rendi-Wagner, Doskozil und dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler den Prozess begleiten lassen. Rendi-Wagner verzichtete bereits darauf. Die amtierende SPÖ-Chefin vertraue der Wahlkommission voll und ganz. (Jan Michael Marchart, 12.5.2023)