Laut Kogler ist die Stimmung im Sportministerium "völlig okay".

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Sektionschef Trattner war erster Ansprechpartner Karmasins.

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Werner Kogler macht "keinen Hehl daraus, dass ich mich extrem über den Fall Karmasin geärgert habe". Dieser Fall, der am Dienstag in Wien vor Gericht weiterverhandelt wird, betrifft auch das von den Grünen geführte Sportministerium, das sich unter Koglers Vorvorgänger Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit der früheren ÖVP-Familienministerin eingelassen hatte. Kogler spricht denn auch von einer "Altlast aus der Zeit meiner Vorgänger" und will "nicht zulassen, dass sie den Blick auf die gute Arbeit im Sportministerium und das, was wir in der Sportförderung und vielen anderen Bereichen weitergebracht haben, verstellt".

Sophie Karmasin wollte Studien erstellen und nominierte selbst zwei Mitbewerberinnen, was ihrem Honorar – 140.000 Euro insgesamt für zwei Aufträge – eher nicht schadete. So lautet ein Teil der Vorwürfe, die die WKStA zur Anklage erhob, und deshalb muss sich neben Karmasin auch ein hoher Sportministeriumsbeamter vor Gericht verantworten. Dem Abteilungsleiter drohen wegen wettbewerbsbeschränkender Absagen, weil das Gesetz Beamte in einer besonderen Verantwortung sieht, bis zu 4,5 Jahre Haft. Seinen Einspruch gegen die Anklage hat das Oberlandesgericht (OLG) abgewiesen, die Beweislage "sei ausreichend, um eine Verurteilung für wahrscheinlich zu halten". Es gilt die Unschuldsvermutung.

Gelegte Rutsche

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein hoher Beamter vor Gericht steht. Kogler ist es wichtig festzuhalten: "Wir haben diesen Fall aufgedeckt, und es hat Konsequenzen gegeben." Natürlich kann er argumentieren, dass er den Mann weder angeheuert noch damit beauftragt hat, Karmasin zu beauftragen. Diese hatte zunächst Philipp Trattner kontaktiert, den noch von Strache eingesetzten Leiter der Sektion Sport im Ministerium, er legte dann laut WKStA die Rutsche zum nun mitangeklagten Beamten.

Kogler betont, dass er schnell reagiert habe, als die Vorwürfe aufkamen. "Es hat eine interne Revision gegeben, eine Nachschulung, es gibt jetzt andere Vergaberegeln, es gilt das Vieraugenprinzip." Und nachdem das OLG den Einspruch des Beamten abgewiesen hatte, sei dieser freigestellt worden.

Wie es um die Stimmung in einem Ministerium bestellt ist, das mit fragwürdiger Auftragsvergabe, interner Revision und einer Gerichtsverhandlung umzugehen hat, lässt sich nur vermuten. "Die Stimmung ist völlig okay", betont allerdings Kogler. Und generell könne man "auch mit Bediensteten, die man nicht selbst ausgesucht hat, gut zusammenarbeiten".

Fristlose Entlassung

Bemerkenswert ist, dass die Sektion Sport dem Vizekanzler nicht nur in dieser Angelegenheit einiges aufzulösen gibt. Mit Ende April ist eine parlamentarische Anfrage der Neos zu den "Folgen aus den Verfahren rund um die Causa IMSB/Leistungssport Austria" an Kogler datiert. Landläufig ist dieser Fall unter "Causa Holdhaus" bekannt. Kurz zur Erinnerung: Im Oktober 2018 wurden Professor Hans Holdhaus und sein Sohn Hans Holdhaus jun. als Chefs des Instituts für medizinische und sportwissenschaftliche Betreuung (IMSB) auf Druck von Straches Ministerium fristlos entlassen. Sie gingen dagegen vor, bekamen recht und nach mehrjährigen Verfahren auch die ihnen zustehenden Gelder aus Abfertigung und teilweise ausständigem Gehalt.

Nach der Entlassung Holdhaus’, so heißt es in der Neos-Anfrage, sei "auf Anordnung Trattners" zuerst ein neuer Geschäftsführer und dann ein neuer Vorstand im Institut installiert worden, das bald nicht mehr IMSB, sondern LSA (Leistungssport Austria) hieß. Kurzfristig hatte Trattner selbst den Vorstandsvorsitz inne – in einer Einrichtung, die vor allem von Fördergeldern lebt, für deren Vergabe im Ministerium insbesondere Trattner selbst zuständig war (und ist).

Einer der neuen Vorstände, Wolfgang Gotschke, wurde und wird noch, wie vor Gericht herauskam, monatlich in fünfstelliger Höhe entlohnt, also klar besser als seinerzeit Holdhaus junior. In der Zwischenzeit steht Gotschke übrigens als Präsident auch dem heimischen Tischtennisverband vor.

Die Fragen an Kogler liegen auf der Hand. Mit vielen dieser Fragen sah sich das Sportministerium auch schon seitens des STANDARD konfrontiert. Fragen wie diese: Wer hat den Vertrag mit Wolfgang Gotschke abgeschlossen? Welche Personal- und also Mehrkosten sind dadurch entstanden, dass sowohl Holdhaus jun. als auch der neue Vorstand bezahlt werden mussten? Welche Gerichts- und Anwaltskosten fielen an? Wurden für all das Steuermittel verwendet? Bezieht Christina Toth, gemeinsam mit Gotschke im LSA-Vorstand, ebenfalls ein LSA-Gehalt, bekommt sie Honorar für juristische Dienste?

Gesungenes Lied

Die Neos kennen das Lied noch nicht, das der STANDARD davon singen kann, wie auf Fragen im Zusammenhang mit dem IMSB bzw. LSA reagiert wird. Es handelt davon, dass der Fragesteller von Pontius zu Pilatus geschickt wird. Die Fragen wären, so der Tipp des Sportministeriums, bitte direkt an LSA zu richten, "weil sie sich auf deren Wirkungsbereich beziehen".

Genau das hat der STANDARD getan – und von LSA-Vorständin Toth folgende Antwort erhalten: "Nachdem alle relevanten Daten und Fakten zu Ihren Fragen ohnehin bereits bekannt sind bzw. wir bei internen Angelegenheiten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, können wir keine weitere Stellungnahme abgeben." Mag sein, die parlamentarische Anfrage kann mehr Licht in die Sache bringen. Der Strache-Altlastenberg, vor dem Kogler steht, wird derweil nicht kleiner. (Fritz Neumann, 15.5.2023)