Das Publikumsinteresse beim zweiten Innsbrucker Journalismusfestival war enorm, wie hier beim Panel zur Frauenrechtsbewegung im Iran.

Foto: Journalismusfest / Alena Klingler

Der inhaltliche Bogen wurde weltweit gespannt. Im Bild Autorin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe im Gespräch mit "Taz"-Journalistin Bascha Mika.

Foto: Journalismusfest / Alena Klingler

Über die Rolle und Bedeutung von Wissenschaftsjournalismus diskutierten am Freitag im Leokino (von rechts nach links): Sabine Hofer von der Med-Uni Innsbruck, Regisseurin Lisa Hepner, die leitende STANDARD-Wissenschaftsredakteurin Tanja Traxler, moderiert von Steffen Kanduth. Die Filmvorführung fand in Kooperation mit der Firma Dexcom statt.

Foto: Journalismusfest Innsbruck / Patrick Ausserndorfer

Sportlich ging es am Sonntag beim Panel des "Lines Magazine" und der "Tretlager"-Kolumne zu.

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"Durchgehend zufrieden" zeigten sich die Veranstalter des Journalismusfests Innsbruck, das von 12. bis 14. Mai zum zweiten Mal über die Bühne ging. Die Erwartungen seien "bei weitem übertroffen" worden, zog der Leiter und Mitinitiator Benedikt Sauer im Gespräch mit dem STANDARD am Sonntagabend Bilanz. Gut 130 Journalistinnen und Journalisten, Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, Expertinnen und Experten von NGOs und andere Fachleute von drei Kontinenten kamen im Rahmen des Journalismusfestivals mit ihrer Expertise zu Wort. Insgesamt mehr als 6.200 Personen besuchten die rund 50 Veranstaltungen – im Vorjahr seien es an die 4.000 gewesen, so Sauer.

Neben "den wichtigen Kooperationen mit Redaktionen von Qualitätsmedien" habe vor allem auch die Zusammenarbeit mit Kultur- und Bildungseinrichtungen vor Ort zum positiven Ergebnis beigetragen, hieß es in einer Aussendung. Die Verantwortlichen sahen sich durch den Zuspruch jedenfalls bestärkt, das Festival auch im kommenden Jahr fortzusetzen.

"Genau hinsehen, was geschieht"

Getreu dem Motto "Genau hinsehen, was geschieht" ging es an den Festivaltagen unter anderem um Herausforderungen für Medienschaffende aus Russland, Belarus und der Ukraine, die zum Teil im Exil arbeiten müssen. Im Zuge der Eröffnung am Freitag sprach der stellvertretende Chefredakteur der polnischen "Gazeta Wyborcza", Bartosz Wieliński, über Pressefreiheit und die Zukunft der Medien.

Wie wichtig freie Berichterstattung im kleinen wie im großen Zusammenhang ist, wurde schon bei der Eröffnung deutlich. Der Gastgeber, Treibhaus-Chef Norbert Pleifer, nutzte seine Begrüßungsrede dafür, um auf jenen Redakteur hinzuweisen, der kürzlich von den "Tiroler Bezirksblättern" gekündigt wurde, weil er zu kritisch über den "Bier-Eklat" im Innsbrucker Gemeinderat berichtet haben soll. Vertreterinnen von ÖVP, Gerechtes Innsbruck, SPÖ, FPÖ und Liste Fritz beschwerten sich bei der Redaktionsleitung, woraufhin der Journalist kurzerhand vor die Tür gesetzt wurde.

Von Klima bis Sport

Schwerpunkte der "Internationalen Tage der Information" waren außerdem Debatten über die Risiken von investigativen Recherchen, den Klima-, Wissenschafts- sowie Sportjournalismus. Bereits am Freitagnachmittag erklärte STANDARD-Wissenschaftsredakteurin Tanja Traxler die Herausforderungen bei der Berichterstattung zu oft komplizierten Sachverhalten. Anlass war die deutsche Erstaufführung der preisgekrönten Dokumentation "The Human Trial" der US-kanadischen Filmemacherin Lisa Hepner, die über Jahre eine klinische Studie zu embryonaler Stammzellenforschung auf der Suche nach einer Heilung für Typ-1-Diabetes filmisch begleitet hat.

Wie Sport und Politik einander beeinflussen, führte STANDARD-Redakteur Fabian Sommavilla am Samstag im Gespräch mit dem Sportchef der "Tiroler Tageszeitung", Florian Madl, aus. Anhand Sommavillas kürzlich erschienenem Buch "33 Sportereignisse, die die Welt verändern" wurde etwa der Umgang mit russischen Athletinnen und Athleten im Zuge des Ukrainekriegs thematisiert.

Ebenfalls am Samstagnachmittag wurde darüber diskutiert, warum es wichtig ist, die Klimakrise gemeinsam mit der Biodiversitätskrise zu denken. Weltweit sterben täglich etwa 150 Arten aus. Berichtet wird, so der Tenor des Panels, dem auch STANDARD-Videoredakteurin Verena Mischitz angehörte, darüber noch zu wenig. Am Beispiel Julian Assange sprachen indes unter anderen Christian Mihr, der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen Deutschland, und Holger Stark, der Ressortleiter für investigative Recherche und Daten über den verantwortlichen Umgang mit Informationen und die Entscheidung, welche Informationen nun von öffentlichem Interesse sind.

Augenmerk auf Vernetzung und Austausch

Und apropos Daten: Im heurigen Jahr wurde mehr Augenmerk auf die Vernetzung gelegt. So stellte sich am Samstagabend etwa das Anti-Corruption Data Collective vor, ein Verbund von Journalistinnen und Journalisten, Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, Datenanalystinnen und -analysten sowie Policy Advocates, die sich zusammengeschlossen haben, um transnationale Korruptionsbewegungen aufzudecken und zu bekämpfen.

Ein Panel der etwas anderen Art veranstalteten das "Lines Magazine" und der "Tretlager"-Kolumnist Steffen Kanduth am Sonntag. Zusammen mit lokalen Mountainbike-Initiativen wurde zu einer Ausfahrt auf die Arzler Alm geladen, wo mit Interessierten über die Möglichkeiten und Notwendigkeit der Berichterstattung zum Thema Mountainbiken gesprochen wurde.

Von Ibiza über Simbabwe bis in den Iran

Besonders gut besucht waren die Veranstaltung zur feministischen Protestbewegung im Iran und die Begegnung mit der Schriftstellerin, Filmemacherin, Essayistin Tsitsi Dangarembga, der Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2021. Groß war auch der Andrang bei den beiden Live-Podcasts "Servus. Grüezi. Hallo." der "Zeit" und "Inside Austria" von STANDARD und SPIEGEL. Ibiza-Drahtzieher Julian Hessenthaler lieferte im Gespräch mit Antonia Rauth vom STANDARD und Lucia Heisterkamp vom SPIEGEL Hintergründe über die Entstehung des Videos. Er sprach über Zufälle und die Sorge, dass das Video vor Veröffentlichung noch geleakt werden könnte.

Südtiroler siegte beim Reporter-Slam

Erstmals in Österreich präsentierten fünf Journalistinnen und Journalisten aus fünf Nationen – Deutschland, Schweiz, Südtirol, Luxemburg und Österreich – beim "Reporter*innen-Slam" ihre Recherchen in einem unterhaltsamen Format auf der Bühne. Der Sieger, der Südtiroler Andrej Werth, gab in seiner mit Fotos untermalten Performance Einblicke in die Höhen und Tiefen des Lokaljournalismus. Im wahrsten Sinn des Wortes – litt er doch das ein oder andere Mal unter seiner starken Höhenangst.

Neu in diesem Jahr und ebenfalls gut angenommen: das Pressefrühstück, in dessen Rahmen der stellvertretende Chefredakteur des STANDARD, Rainer Schüller, mit den diskussionsfreudigen Besucherinnen und Besuchern nicht nur die eigene Zeitung kritisch zerlegte, sondern auch über aktuelle Herausforderungen in der Medienbranche diskutierte.

Festivalzentrum war erneut das Treibhaus Innsbruck. Dort fanden auch gut besuchte Konzerte statt. Unter anderem zogen am Freitagabend Pussy Riot das Publikum in ihren Bann. Insgesamt wurden 15 Standorte bespielt. Weitere Veranstaltungsorte von Diskussionen, Ausstellungen, Filmen und Radiofeatures waren außerdem der Kunstraum Innsbruck, die Wagner'sche Buchhandlung, das Literaturhaus am Inn, das Haus der Begegnung, das Leokino/Cinematograph der Stadtbibliothek, WEI SRAUM Designforum Tirol, das Fotoforum und das Café Munding. (Maria Retter, 15.5.2023)