Mehr als siebeneinhalb Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals räumte Stadler eine Mitverantwortung ein.

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München – Mit einem einzigen Wort, einem kräftigen "Ja" aus dem Mund von Rupert Stadler, geht der endlose Audi-Prozess um Betrug beim Abgasausstoß nun plötzlich seinem Ende entgegen. Der ehemalige VW-Manager und Audi-Vorstandsvorsitzende hat am Dienstag vor dem Münchner Landgericht ein Geständnis abgelegt, vorgelesen von seiner Verteidigerin Ulrike Thole-Groll. Stadler hat damit nach zweieinhalb Jahren Prozessdauer zugegeben, Abgasmanipulationen an Dieselautos "als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen" zu haben.

Nach Ansicht von Gerichtssprecher Laurent Lafleur ist das Geständnis "bemerkenswert" und zugleich "vollumfänglich". Erstmals habe ein Top-Manager in dem 2015 aufgeflogenen Skandal Schuld eingeräumt. Betroffen waren VW, Audi, Škoda, Seat und Porsche, die alle zum Volkswagen-Konzern gehören. Aufgebracht wurde der Betrug in den USA, wo die Manipulationen an Autos für den amerikanischen Markt entdeckt worden waren.

Manipulierte Motoren

Im Kern geht es darum, dass Automotoren mit einer Software so manipuliert wurden, dass sie im Test zwar strenge Abgasnormen einhielten – in der Realität auf der Straße aber nicht, dort wurden viel mehr Schadstoffe ausgestoßen als angegeben. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat dies als Betrug angesehen.

Dem Geständnis vorangegangen war eine sogenannte Verständigung zwischen Gericht und dem Angeklagten, also ein "Deal". Für ein Geständnis wurde eine Freiheitsstrafe auf Bewährung über eineinhalb bis zwei Jahre versprochen sowie eine Geldstrafe von 1,1 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Zuvor hatte das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Stefan Weickert erklärt, dass es genügend Beweismaterial sehe, um Stadler zu einer höheren Strafe zu verurteilen, die der 60-Jährige dann auch hätte absitzen müssen.

Weitere Angeklagte

Neben Stadler sind auch der frühere Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz sowie zwei ihm einst unterstellte Ingenieure angeklagt. Einer kam schon mit einer Geldstrafe davon, Hatz und der andere hatten auch bereits gestanden. Einzig Stadler hatte bislang jede Verantwortung oder Mitwisserschaft von sich gewiesen. In den letzten Wochen war jedoch hinter verschlossenen Türen eifrig über die Einzelheiten des Deals verhandelt worden.

Am Dienstag kam Rupert Stadler wie so oft in dem bislang 168 Verhandlungstage dauernden Mega-Verfahren durch den Haupteingang ins Gericht. Makellos gekleidet in Anzug und Krawatte, das graumelierte Haar frisiert, die runde Brille auf der Nase. Lächelnd und wie immer schweigend.

Das neuere Gerichtsgebäude, vor sieben Jahren eingeweiht, liegt direkt am Gefängnis München-Stadelheim und hat eine besondere Aura. Es ist ein Hochsicherheitssaal, drei Meter unter der Erde, der etwa für Terrorprozesse gedacht ist. Auch der brisante Wirecard-Prozess wird dort verhandelt. Angeklagte können von der JVA aus unterirdisch direkt vorgeführt werden. So ist es dem Ex-Audi-Boss nie ergangen. Vor Prozessbeginn saß er zwar vier Monate in U-Haft wegen Verdunkelungsgefahr – man fürchtete, dass er Zeugen beeinflussen könnte. Dann wurde er aber gegen eine Kaution freigelassen.

Kurz und wortkarg

Das verlesene Geständnis ist kurz, Verteidigerin Thole-Groll braucht dafür fünf Minuten. Es ist gewunden geschrieben mit vielen Einschränkungen und Konjunktiven. Rupert Stadler erklärt darin etwa, es hätte von seiner Seite "ein Mehr an Sorgfalt bedurft". Er "hätte dafür Sorge tragen müssen", dass die Software nicht manipuliert, sondern korrekt sei. Die Dinge habe er "nicht gewusst, aber als möglich erkannt" und diese Möglichkeit wiederum "billigend in Kauf genommen". Ein Satz immerhin ist klar: "Das bedauere ich sehr." Unter den Prozessbesuchern und Journalisten breitet sich eine gewisse Heiterkeit aus, denn ein irgendwie deutliches Geständnis will man in diesem Text nicht erkennen können. Sprecher Lafleur schon, er meint: "Das ist für Juristen geschrieben."

Gefahr deutlicher Worte

Die Lage des Angeklagten Stadler ist verzwickt: Deutliche Worte hätten bedeutet, dass er die vergangenen zweieinhalb Jahre im Verfahren gelogen hat, als er seine Unschuld beteuerte. Und wäre er bei seinem bisherigen Standpunkt geblieben, wäre er mit hoher Sicherheit ohne Bewährung im Gefängnis gelandet. In seiner Erklärung heißt es nun, dass er "auf Grundlage des Verfahrens" zu seinen neuen Erkenntnissen gelangt sei. Insgesamt hat Stadler vor Gericht sagen lassen, was nötig ist, mehr nicht. Da der Ausgang des Verfahrens schon in wesentlichen Zügen abgesprochen ist, dürfte der Prozess jetzt bald enden. Pflichtschuldig werden die Plädoyers gehalten, Ende Juni könnte das Urteil fallen. (Patrick Guyton aus München, 16.5.2023)