Pflegen Kunst als Widerstand: Lia und Dan Perjovschi.

Foto: Angel Sanchez / El Pais

Für einen kurzen Zeitraum des Jahres 2000 waren sie so etwas wie Rumäniens First Couple der Kunstvermittlung: Everything on view hieß die TV-Sendung, die Lia und Dan Perjovschi im rumänischen Staatsfernsehen moderierten. Experimentell, anarchistisch und entschlossen, mit ihren Einführungen in die Welt der zeitgenössischen Kunst demokratische Pflöcke einzuschlagen, in einer Gesellschaft, die sie um ihre eigene Revolution betrogen sahen. Elf Jahre war der Sturz der Ceaușescu-Diktatur damals her, anders als in anderen osteuropäischen Ländern war der Umbruch in Rumänien blutig verlaufen, und er hatte just die alten kommunistischen Parteikader wieder an die Macht gespült.

Im Jahr 2000 begann in Rumänien die Aufarbeitung der Securitate-Archive des Unterdrückungsapparates. Sie sollte das Land länger beschäftigen als die TV-Show der Perjovschis. Deren Produzenten hätten nach der ersten Ausgabe Angst vor der eigenen Courage bekommen, erzählt das Künstlerpaar im Gespräch. Die Sendung überlebte nur vier Monate.

Wissen kann vor Torheit schützen

Eine längere Lebensdauer war dem Contemporary Art Archive / Center for Art Analysis beschieden, das Lia Perjovschi 1985 gegründet hat und das bis heute als freie Plattform besteht. Die Idee dahinter: Kunst ist ein Instrument der Wissensproduktion, Wissen kann vor Torheit und Totalitarismen schützen.

Mit seinen pointiert auf den Zustand der Welt zugespitzten Zeichnungen ist der 1961 in Sibiu geborene Dan Perjovschi zu einem Liebkind der internationalen Kunstszene geworden. Auf der Documenta verwandelte er zuletzt die Säulen des Fridericianums im doppelten Wortsinn in Kolumnen, vor dem Kasseler Bahnhof entstand eine Sondernummer seiner Horizontalen Zeitung, deren angestammter Platz eine Mauer in Sibiu ist. Das Werk von Lia Perjovschi wird weniger stark rezipiert, wobei die Performances, mit denen sie in den 1980er-Jahren Räume des Widerstands eröffnete, dies verdient hätten. Ihr Atelier in Bukarest musste das seit 1983 verheiratete Paar unter dem Druck der Zensur schließen und ließ sich in Sibiu nieder.

Archivarin mit Kleiderbügeln

Lia Perjovschi versteht sich heute in erster Linie als Archivarin, die sammelt, recycelt und sampelt. Dass ihre über Kleiderbügel gehängten menschlichen Silhouetten aus Stoff an Kiki Kogelnik erinnern, mag ein Ergebnis dieses Tuns sein, im Kunstraum Innsbruck ist eines ihrer Hauptthemen aber der Krieg Russlands gegen die Ukraine: Eine wandfüllende Collage ist als Anklage zu verstehen.

In Fragments of Humanity, so der Titel der Schau, sind Ausgaben des Magazins Revista 22 zu sehen, das nach dem politischen Umbruch das wichtigste Dissidentenmedium wurde. Dan Perjovschi arbeitet mit.

Als gewitzten Wortklauber beschäftigt ihn heute die Frage, ob es Zufall ist, dass "NFT" im Wort "Zukunft" steckt. Eine andere Frage taucht in einem Meer aus Postkarten auf, das auf die Mail Art referiert, die einst in Diktaturen zum Mittel des Widerstands wurde. Die Frage ist aber eine ganz andere: "Warum druckt man Armut auf Postkarten?", steht über einer Karte aus Südafrika zu lesen, die Slums wie Sehenswürdigkeiten präsentiert. (Ivona Jelcic, 18.5.2023)