Maiaufmarsch vor dem Parlament – ganz unmöglich erscheint eine Rückkehr nicht mehr.

Foto: HELENA LEA MANHARTSBERGER

Linz – "Wie schätzen Sie das ein: Hat in der Politik in Österreich eine Partei links der SPÖ noch realistische Chancen, erfolgreich zu sein, oder eher nicht?" Diese Frage legte das Linzer Market-Institut Anfang dieser Woche 800 repräsentativ für die österreichischen Wahlberechtigten ausgewählten Personen vor – und bekam von 36 Prozent die Antwort, dass da durchaus Chancen bestünden. 40 Prozent sehen keine Chance, und der Rest traut sich keine Einschätzung zu.

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DER STANDARD

Chance für linke Politik

Besonders Menschen mit höherer Bildung und Bewohner der Städte können sich eine Rolle für eine Linkspartei vorstellen. Neben den – wenigen – erklärten Anhängerinnen und Anhängern der KPÖ und der Bierpartei sind es vor allem Grüne, die das sagen. Market-Wahlforscher David Pfarrhofer: "Die Wählerschaft der Grünen sieht sich zumindest teilweise links von der SPÖ – das heißt also nicht, dass sie mit fliegenden Fahnen zu einer anderen Linkspartei überlaufen würde. Und auch bei der Grünen-Wählerschaft überwiegt die Ansicht, dass die Erfolge der KPÖ regional begrenzt bleiben."

DER STANDARD ließ konkret fragen, ob die Erfolge der KPÖ in zwei Bundesländern für ein regionales Phänomen gehalten werden oder ob "die KPÖ künftig auch bundesweit wieder eine Rolle spielen wird". Gut ein Drittel der Wahlberechtigten (35 Prozent) ist der Meinung, dass die KPÖ bundesweit wieder eine Rolle spielen könnte, 44 Prozent halten Erfolge der Kommunisten wie jene in Graz und Salzburg für regionale Phänomene. Die Erwartung eines bundesweiten Erstarkens der Kommunisten ist vor allem bei jungen Befragten und in der Wählerschaft von Grünen und Freiheitlichen überdurchschnittlich hoch.

Mandat schwer zu erringen

In der hochgerechneten Sonntagsfrage, die Market regelmäßig für den STANDARD erhebt, ist die KPÖ von einem Prozent im Februar auf drei Prozent gesprungen. Damit würde sie bei einer jetzt stattfindenden Nationalratswahl an der Vier-Prozent-Klausel scheitern – es sei denn, sie würde ein Grundmandat erreichen.

Das ist je nach Wahlkreis unterschiedlich schwer: Im bevölkerungsreichsten Wahlkreis ist das am einfachsten. Und der bevölkerungsreichste Wahlkreis ist Graz und Umgebung. Bei der Gemeinderatswahl 2021 haben die Kommunisten in der Landeshauptstadt 34.283 Stimmen erzielt – wenn sie diese Wähler halten könnte, wäre ein Grundmandat möglich. Allerdings hatte die KPÖ bei der Nationalratswahl 2019 bundesweit nur 32.736 Stimmen, und die Wählerinnen und Wähler unterscheiden meist deutlich zwischen regionalen und bundesweiten Wahlen.

Eine für diesen Sonntag angesetzte Wahl würde nach den Market-Berechnungen die FPÖ mit 27 Prozent auf dem ersten Platz sehen, dahinter mit 24 Prozent die SPÖ und die ÖVP mit 22. Grüne und Neos könnten je zehn Prozent erwarten, die Bierpartei wäre mit vier Prozent möglicherweise in den Mandatsrängen, die KPÖ mit drei Prozent eher nicht. Und erst recht nicht die impfkritische MFG, die bereits in den Rohdaten unter einem Prozent liegt.

Pfarrhofer verweist darauf, dass die Bierpartei vor allem von der Person Dominik Wlazny lebt, den bei einer (fiktiven) Kanzlerwahl sechs Prozent direkt wählen würden. Zum Vergleich: Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen kommt auf fünf, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf sieben, SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner auf zwölf, FPÖ-Chef Herbert Kickl auf 16 und Bundeskanzler Karl Nehammer auf 20 Prozent.

Ablehnung einer FPÖ-Regierungsverantwortung

Pfarrhofer: "Vielfach wird so getan, als ob eine relative Mehrheit der Wahlberechtigten Kickl als Kanzler haben wollte. Aber das stimmt so nicht. In der Kanzlerfrage sagen selbst von den deklarierten FPÖ-Wählern nur zwei Drittel, dass sie Kickl im Kanzleramt sehen wollen. Etwa jeder fünfte FPÖ-Wähler will gar keinen der Spitzenkandidaten als Bundeskanzler, also auch nicht Kickl. Und jeder zwanzigste FPÖ-Wähler würde den amtierenden Bundeskanzler bestätigen."

In der Frage, ob die FPÖ in der nächsten Bundesregierung vertreten sein soll, sagt ein Zehntel der Freiheitlichen ausdrücklich, dass das nicht wünschenswert sei – ein Teil der Freiheitlichen zieht also die Oppositionsrolle vor. Und die Wählerschaften der anderen Parteien wollen die FPÖ erst recht nicht in der Bundesregierung. Die Ablehnung ist unterschiedlich stark, aber überall eindeutig – auch von den ÖVP-Wählern wünschen zwei Drittel die FPÖ weiter in der Opposition.

Und die SPÖ? Diese verunsichert die Beobachter, sagt Pfarrhofer: "Nur etwa die Hälfte der Leute, die angeben, SPÖ wählen zu wollen, wünscht sich auch Pamela Rendi-Wagner als Kanzlerin. Dabei sagen die SPÖ-Wähler mehrheitlich, dass die noch nicht ausgezählte Abstimmung über den Parteivorsitz ein Zeichen demokratischer Reife wäre." Insgesamt ist das aber eine Minderheitsmeinung: 52 Prozent der Wahlberechtigten sehen die Abstimmung als Beleg für die Orientierungslosigkeit der Sozialdemokratie, nur 30 Prozent sagen, dass das Vorgehen von demokratischer Reife zeuge. (Conrad Seidl, 19.5.2023)