Blick auf den Wienfluss in Wien-Hütteldorf am Mittwoch, 17.5.

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Enten auf einem Weg am Wienfluss.

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Der tagelange teils intensive Regen hat in der Steiermark zu Überschwemmungen, Murenabgängen und Hangrutschungen geführt. In Straß entgleiste Dienstagnacht der Triebwagen eines Personenzugs wegen der von einer Mure verlegten Gleise.

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Wien – Von Dienstag bis Mittwochvormittag hat es in vielen Regionen Österreichs innerhalb von 24 Stunden zwischen 20 und 50 Millimeter geregnet. Damit wurde schon jetzt, Mitte Mai, die Niederschlagsmenge eines durchschnittlichen gesamten Maimonats erreicht.

Der oft fast ausgetrocknete Wienfluss am Mittwochnachmittag
DER STANDARD

In der Gemeinde Fraxern in Vorarlberg waren es stellenweise sogar um die 90 Millimeter. Um die 50 Millimeter binnen 24 Stunden habe es zum Beispiel in Niederösterreich in St. Pölten, Lilienfeld und Langenlebarn geregnet sowie in der Steiermark in Bad Radkersburg und Leibnitz, sagte Alexander Orlik, Klimatologe bei Geosphere Austria, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur APA. Derartige Mengen in so einer kurzen Zeitspanne gebe es in diesen Regionen durchschnittlich alle drei bis vier Jahre, meist in den Sommermonaten. Für einen Mai hingegen seien derartige Regenmengen "deutlich seltener und kommen nur alle zehn bis 20 Jahre vor".

Entspannung in Sicht

Auf den Bergen schneite es am Mittwoch. 30 Zentimeter Neuschnee lagen in der Früh in den Hohen Tauern am Sonnblick (3.109 Meter Seehöhe) und bei der Rudolfshütte (2.317 Meter). In der Nacht auf Donnerstag dürfte der Regen überall wieder abklingen. Die kommenden Tage bringen nur noch vereinzelte Regenschauer, und zumindest zeitweise zeigt sich auch die Sonne. Außerdem wird es deutlich wärmer, am Wochenende liegen die Höchsttemperaturen zwischen 20 und 26 Grad.

Vor allem entlang der Alpennordseite und in der Südsteiermark drohte das Italien-Tief zu kleineren Überschwemmungen zu führen. In Tirol und der Steiermark sorgte der kontinuierliche Niederschlag bereits für Murenabgänge.

Auch in Vorarlberg mussten Feuerwehren am Dienstag und in der Nacht auf Mittwoch über 100-mal ausrücken. Schwerpunkt waren dabei die Regionen Feldkirch und Vorderland mit 88 Einsätzen. Vor allem sei es darum gegangen, Wasser aus Kellern und Unterführungen zu pumpen. Auch ein paar kleinere Hangrutschungen gab es.

Erhöhte Wasserstände

Der seit Tagen anhaltende Regen hat in Niederösterreich erhöhte Wasserstände an Flüssen verursacht. Zentrum der Niederschläge war laut Angaben des niederösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreters Stephan Pernkopf (ÖVP) das südliche Niederösterreich, insbesondere im Großraum Wienerwald, wo in den vergangenen 24 Stunden bis zu 75 Millimeter Regen gefallen sind. Dadurch haben die Abflüsse an den südlichen Donauzubringern die Größenordnung eines einjährlichen Hochwasserereignisses erreicht. An der Donau in Niederösterreich soll in der Nacht auf Donnerstag die Marke eines einjährlichen Hochwassers erreicht werden.

Durch die ausgiebigen Niederschläge seien die Böden mittlerweile gut mit Wasser versorgt, nach den langen Trockenperioden der vergangenen Monate trete damit für die Vegetation eine deutliche Verbesserung ein, teilte Pernkopf in einer Aussendung mit.

"Überschaubares Hochwasser" in Wien

Die vielen Niederschläge der vergangenen Wochen haben auch in Wien den Pegelstand der Donau sowie von anderen Flüssen und Bächen steigen lassen. Die Donau führt seit Mittwochnachmittag in der Bundeshauptstadt Hochwasser: Das ist dann der Fall, wenn die für Wien kritische Marke von 5,30 Metern bei der Messstelle Korneuburg überschritten wird. "Wir rechnen aber mit einem überschaubaren Hochwasser", sagte Thomas Kozuh-Schneeberger von der MA 45 gegenüber dem STANDARD. Prognosen, die 40 Stunden in die Zukunft reichen, gehen von einem ein- bis dreijährlichen Hochwasser für Wien aus: Als Pegelhöchststände werden zwischen 5,60 und 5,70 Metern erwartet. Ab Donnerstag um die Mittagszeit dürften die Pegel laut den aktuellen Vorhersagen bereits wieder sinken. Zuletzt gab es in Wien im Sommer 2021 eine Hochwasserwarnung.

Der Wiener Forst- und Klimadirektor Andreas Januskovecz sowie der Präsident der Landwirtschaftskammer in der Hauptstadt, Norbert Walter, freuten sich in einem ORF-Beitrag über die großen Regenmengen. "Die Böden können diesen Landregen ganz besonders gut aufnehmen", sagte Januskovecz: "Er ist nachhaltig und rinnt nicht oberflächlich ab. Das ist das optimale Wetter für die Natur." In den letzten Jahren sei in sehr kurzer Zeit besonders viel Regen gekommen, den der Boden zumeist nicht aufnehmen hätten können. Und auch Walter freute sich: "Wir haben jetzt den Regen wieder fast aufgeholt von dem, was uns gefehlt hat." Der Boden ist durch die viele Niederschläge, die es auch schon im April gab, bereits befeuchtet. Dadurch kann das zusätzliche Regenwasser auch den Grundwasserspiegel erhöhen.

Wetter wird extremer

Generell jedoch steigt das Risiko für Starkregenereignisse im Zuge der Klimakrise. Sie werden nicht nur häufiger, sondern auch intensiver. Das lässt sich auf eine physikalische Regel zurückführen: Mit jedem zusätzlichen Grad Celsius bei der Lufttemperatur kann der Wassergehalt in der Atmosphäre um etwa sieben Prozent zunehmen. So kann auch mehr Wasser abregnen. Österreich wird immer wärmer, wie die Daten der vergangenen Jahre zeigen – 2022 war es um 2,3 Grad wärmer als im Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990. "Das viele Wasser in kurzer Zeit führt zu mehr Überschwemmungen, Murenereignissen und Hanginstabilitäten", sagt Geotechnik-Professorin Barbara Schneider-Muntau von der Universität Innsbruck mit Blick auf den Alpenraum.

Obwohl in Österreich allgemein kein Trend zu weniger Niederschlag verzeichnet wird, wächst die Wahrscheinlichkeit von Dürren. Diese scheinbar paradoxe Beobachtung hat mit der Wasserbilanz zu tun. Durch die generelle Erwärmung verdunstet mehr Wasser aus dem Boden als sonst. Hinzu kommt, dass Pflanzen dem Boden mehr Wasser entziehen, weil sie bereits früher im Jahr zu sprießen beginnen und über eine längere Zeit wachsen können.

Die Wetterlagen werden also im Durchschnitt extremer. Meteorologisch spielt dabei auch ein Windband namens Jetstream eine Rolle. Es schiebt Hoch- und Tiefdruckgebiete über Europa weiter und dürfte immer langsamer werden, da es quasi durch den Temperaturunterschied zwischen Arktis und Äquator angetrieben wird. Weil sich die Arktis stark erhitzt und dieser Unterschied schrumpft, wird der Jetstream schwächer. Dann können sich einzelne Wetterlagen länger in einer Region halten – ob Trockenheit, Starkregen oder auch weniger intensive Regenfälle. (Anna Giulia Fink, David Krutzler, Julia Sica, 17.5.2023)