Vin Diesel als Dom Toretto und Daniela Melchior als Isabel Neves

Foto: Peter Mountain

Das hat Rom nicht verdient. Die Ewige Stadt steht kurz davor, diesen Titel einzubüßen, als eine Bombe wie eine Bowlingkugel durch die Stadt rollt. Mittendrin im Geschehen: Die Rennfahrer/Superagenten/Kriminellen rund um Dominic Toretto, die auch im zehnten Fast & Furious-Film wieder einmal die Welt am Steuer ihrer Karossen retten müssen.

Doch auch diesmal geht es nicht nur um die Welt an sich. Dom, also der stets stoische Vin Diesel, muss sich erneut mit einer Bedrohung seiner Familie auseinandersetzen. Familie steht in der Welt von Fast & Furious über allem, ob nun per Bluts- oder Wahlverwandtschaft. Doch gleichzeitig ist nichts gefährlicher als Familie. Daher geht es seit dem siebten Teil der Reihe vorwiegend darum, dass aufseiten der Bösewichte Verwandte jene Personen rächen wollen, die sich einst erfolglos mit Dom angelegt hatten.

Höhepunkt vorbei

Fast & Furious 10 bietet dahingehend sogar ein fast komplettes Klassentreffen. Ein Zuviel an Charakteren, die alle zu wenig Leinwandzeit bekommen. Auftritt Dante Reyes, dargestellt mit süffisanter Exzentrik von Jason Momoa: Er ist ebenfalls ein rächender Sohn, jener von Drogenboss Hernan Reyes, dem die Crew im fünften Teil das Handwerk gelegt hatte. Es ist quasi eine Rückbesinnung auf die Zeit, als das Franchise seinen Höhepunkt erlebte.

Gestartet war die Reihe 2001 als kleiner Actionkracher über einen Cop, der undercover in der illegalen Straßenrennen-Szene von Los Angeles ermittelt. Die Autorennen, die Stunts sowie die Dynamik machten den Film zu einem Hit, die Fortsetzung war unumgänglich. Doch in den Folgejahren dümpelte die Serie planlos dahin. Bis auf Paul Walker, der Undercover-Cop Brian gespielt hatte, sprangen alle Darsteller ab. Der dritte Teil, Tokyo Drift, hatte nur ein Cameo von Vin Diesel.

Dennoch brachte Tokyo Drift den Umschwung. Regisseur Justin Lin und Drehbuchautor Chris Morgan übernahmen. Die Reihe schwenkte ab dem vierten Teil von Straßenrennen hin zu Spionagekrachern. Die Familie wurde von der ominösen "Agency" als Spezialagentenschaft angeworben. Außerdem machte Fast & Furious 2011 etwas, wofür das Marvel Cinematic Universe mit Avengers länger brauchte: Das Franchise trommelte all die Stars der vergangenen Filme zusammen und ließ sie im spaßigen Fast & Furious Five, der für viele der beste Film der Reihe ist, Banken ausrauben.

Absurde Szenen

Doch die Krux der Filme war zum einen, dass sie dem Zuseher immer mehr bieten wollten. Was der Höhepunkt des einen Films war, taugte im nächsten höchstens noch als Eröffnungsszene. Abstruse Sequenzen – wie eine nie endende Start- und Landebahn – waren nicht mehr isolierte virale Momente. Sie jagten einander im Minutentakt. Zum anderen verlor die Reihe an Witz. Man bekam Pseudo-Shakespeare’sche Tragödien, in denen fast jeder Dialog sinnentleert um Vergeltung und Familie kreiste. Zudem erlitt die Reihe mit dem Tod von Paul Walker 2013 einen schweren Dämpfer.

Es gab Konflikte. Justin Lin hatte sich verabschiedet, Louis Leterrier übernahm und inszeniert hier mit versierter Handschrift, die optisch wenig zu wünschen übrig lässt. Dennoch kann auch er das Endresultat nicht vor flachem Drehbuch und Action-Orgie retten. Man spürt: Das Franchise ist kein flotter Flitzer mehr und gehört geschrottet. Doch man gedulde sich: Zwei weitere Filme stehen noch bevor – einige überraschende Cameos und Wiedersehen, so viel kann man schon verraten, inklusive. (Susanne Gottlieb, 19.5.2023)