Protestierende in Sri Lanka, das seit vergangenem Sommer in einer seiner schwersten Wirtschaftskrisen steckt.

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Das afrikanische Land Sambia gilt bei internationalen Geldgebern nicht unbedingt als Hotspot. Umso mehr freute man sich in Lusaka, endlich Kredite für Infrastrukturprojekte aus Peking zu bekommen. In den vergangenen zehn Jahren gab China dem Land mehrere Milliarden US-Dollar an Kredit. Mit dem Geld baute Sambia einen internationalen Flughafen, zwei Sportstadien und ein Krankenhaus. Auch ein Wasserkraftwerk nahe der Hauptstadt Lusaka wurde kürzlich eröffnet. Nun aber steckt Sambia in Zahlungsschwierigkeiten und zwischen zwei Fronten: Einander gegenüber stehen der amerikanisch-westlich dominierte Internationale Währungsfonds und Peking, das in den vergangenen Jahren zum größten Gläubiger der Welt wurde. Und betroffen ist nicht nur das afrikanische Land Sambia.

China als größter Gläubiger

Laut IWF stehen derzeit 21 Staaten vor der "Insolvenz" beziehungsweise haben Probleme, ihre Schulden zurückzuzahlen: von Ägypten bis Pakistan, von Sri Lanka bis Laos. Sogar von der größten Schuldenkrise der Geschichte ist die Rede, nimmt man die Anzahl der davon betroffenen Menschen als Maßstab – rund 700 Millionen. Dass es dazu kommen konnte, liegt nicht nur, aber vor allem am chinesischen Großprojekt "Neue Seidenstraße".

Vor zehn Jahren hielt der chinesische Präsident Xi Jinping in der kasachischen Hauptstadt Astana eine folgenschwere Rede, die als Startschuss des auch als "Belt-&-Road-Initiative" bekannten Projekts gilt. In den folgenden Jahren flutete die chinesische Regierung insbesondere Schwellenländer mit Milliarden von US-Dollar, um in den jeweiligen Staaten Infrastrukturprojekte zu finanzieren. So entstand unter anderem eine Bahnstrecke, die die chinesische Metropole Chongqing mit der deutschen Stadt Duisburg verbindet. Vor allem aber baute Peking Bahnstrecken, Straßen und Häfen in Afrika und Asien, um Rohstoffe Richtung China zu transportieren.

Peking vergibt US-Dollar

Auch Pipelines, Flughäfen und Autobahnen zählen zu den Projekten. Besonders Diktatoren und korrupten Politikern kamen die Milliarden aus Peking gelegen, waren sie doch anders als westliche Kredite nicht an Umwelt- und Liberalisierungsauflagen geknüpft. Das Muster war stets dasselbe: Peking vergibt einen Milliardenkredit in US-Dollar für ein solches Projekt, mit der Auflage, chinesische Unternehmen damit zu beauftragen und chinesische Materialien zu bestellen. Im Idealfall erwirtschaftet das Projekt einen Gewinn, mit dem das Land seinen Kredit zurückzahlen kann. Doch dazu kommt es immer seltener. In die Schlagzeilen geriet vor einigen Jahren der Hafen von Hambantota in Sri Lanka. Als der Inselstaat an der Südspitze von Indien den Kredit nicht mehr bedienen konnte, "pachtete" Peking den Hafen kurzerhand für die kommenden 99 Jahre. Sri Lanka ist ein Extrembeispiel, doch aktuell geraten immer mehr Länder der "Neuen Seidenstraße" in Zahlungsschwierigkeiten.

Und dies ist längst nicht nur das Problem Pekings. Ein Staatsbankrott eines einzelnen Landes hat nicht nur negative Auswirkungen auf den größten Gläubiger, sondern kann eine ganze Kaskade an Pleiten auslösen und dazu Staaten an den Rand des Bürgerkriegs bringen.

Lange schwelte die Problematik unter der Oberfläche. Erst durch die starken Zinsanhebungen der amerikanischen Zentralbank, die vor rund einem Jahr begannen, stiegen die Finanzierungskosten überall auf der Welt. Hinzu kommen die hohen Energiepreise, die die Haushalte zahlreicher Staaten belasten.

Philipp Mattheis
"Die dreckige Seidenstraße"
€ 24,70 / 288 Seiten
Goldmann-Verlag, 2024
Das Buch erscheint am 24. Mai,der Text ist ein Vorabruck daraus.
Foto: Goldmann-Verlag

Versteckte Schulden

Eine multilaterale Zusammenarbeit wäre notwendig, um eine globale Schuldenkrise abzuwehren. Der aber verweigert sich Peking und sieht den IWF als westliches Machtvehikel, da die USA in der Organisation die meisten Stimmrechte haben. Seit ihrer Gründung 1944 hat die Organisation rund 700 Milliarden US-Dollar an 150 Länder verliehen. Das ist höchstwahrscheinlich um einiges weniger, als China in den vergangenen zehn Jahren verteilt hat. Hier aber liegt ein weiteres Problem: Niemand, und wahrscheinlich nicht einmal die chinesische Regierung selbst, weiß genau, wie viel Geld zu welchen Konditionen verliehen wurde. Eine Studie von Aid Data kam allerdings 2021 zu dem Schluss, dass sich Chinas Ansprüche auf mindestens 840 Milliarden US-Dollar belaufen. Davon seien rund 385 Milliarden "Hidden Debt", also versteckte Schulden.

Geopolitische Interessen

In den vergangenen 65 Jahren war es normalerweise der "Pariser Club", der sich um multilaterale Lösungen bemühte. Das informelle Gremium dient dazu, einen Rahmen zu schaffen, bei dem sich verschuldete Staaten mit ihren Gläubigern einigen können. Dem Gremium aber wollte China trotz Einladungen nie beitreten. Die Folgen sind jetzt zu spüren: Der IWF und westliche Länder wollen nur dann Schulden erlassen beziehungsweise mit Notfallkrediten einspringen, wenn Peking mitzieht, sonst würde das Geld mehr oder weniger direkt in die Taschen der chinesischen Gläubiger fließen.

China dagegen pocht auf bilaterale Lösungen wie Folgekredite und Umschuldungen. Dahinter dürfte auch das geopolitische Programm Pekings stehen, seinen Einfluss in den Ländern des Globalen Südens auszubauen.

Die Leidtragenden sind in diesem Fall die verschuldeten Länder. Sri Lanka, das bereits einen Hafen als "Pfand" an Peking geben musste, steckt seit vergangenem Sommer wieder in Zahlungsschwierigkeiten und in einer seiner schwersten Wirtschaftskrisen. (Philipp Mattheis, 21.5.2023)