Ausgerechnet Hans Peter Doskozil soll die SPÖ einen. 33,68 Prozent der Mitglieder drängen auf Burgenlands Landeschef als roten Chef. Jenen Doskozil, den nicht wenige in der Sozialdemokratie für die interne Unruhe der vergangenen Jahre verantwortlich machen. Selbst die, die es gut mit ihm meinen.

VIDEO: SPÖ–Mitgliederbefragung endet vorerst mit Sieg Doskozils.
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Doskozil könnte nun das erreichen, was er will, wozu er sich aber lange nicht bekannt hatte: den roten Vorsitz. Zuvor droht Doskozil aber noch ein Showdown am Sonderparteitag am 3. Juni in Linz. Das Ergebnis von Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler liegt mit 31,5 Prozent äußerst knapp an jenem Doskozils. Babler hat im Vorfeld angekündigt, in diesem Fall am Parteitag antreten zu wollen.

Meistert Doskozil auch das, könnte er seiner Partei schon sehr bald noch mehr abverlangen. Wer seinem Umfeld in den vergangenen Wochen genau zugehört hat, weiß, dass er in der SPÖ ordentlich aufräumen will – angefangen mit der Ablöse von Christian Deutsch als Bundesgeschäftsführer. Der Vertraute der sogenannten Liesinger Partie, einer alten Wiener Seilschaft um Altkanzler Werner Faymann und die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, ist den Burgenländern neben Rendi-Wagner der größte Dorn im Auge.

Hans Peter Doskozil und sein Team haben ihr Ziel erreicht: Pamela Rendi-Wagner von der Parteispitze zu verdrängen.
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Wie wenig zimperlich Doskozil mit der Autorität der mächtigen Wiener Parteiorganisation ist, machte er unlängst in einem Interview mit dem STANDARD deutlich. Darin stellte er offen die Macht von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig infrage. Bei Ludwigs Kür vor einigen Jahren spielte nicht nur Deutsch eine eminente Rolle, Ludwig ist auch eng mit Bures und Rendi-Wagner verwoben. Doskozils Sager konnte also als ein gezielter Stich ins Herz der Hauptstadtroten verstanden werden. Eine Aussöhnung in der SPÖ wird wohl auch davon abhängen, ob sich die beiden Alphatiere Doskozil und Ludwig irgendwann wieder zusammenraufen können.

Im Laufe der roten Kampfabstimmung präsentierte sich Doskozil jedenfalls als ewig missverstandener Macher in der Partei. Missverstanden deshalb, weil er den Roten um Rendi-Wagner bloß mit seinen Leibthemen Mindestlohn und Co in regelmäßigen Abständen in die Parade gefahren sein will, wie er beteuert. Nach seinem Empfinden sei das alles im Sinne einer gemeinsamen Programmatik nur gut gemeint gewesen. Und seine Ideen habe Doskozil im Burgenland halt auch umgesetzt – mit dem Vorteil eines absolut herrschenden Landeschefs wohlgemerkt. Diese Selbstsicht passt gut zu einem Satz, den Doskozil einmal über sich selbst gesagt hatte: "Ich mache, was ich für richtig halte."

Aber Doskozil ließ zuletzt auch erkennen, dass er bereit ist, rote Parteikonventionen zu akzeptieren – zumindest ein Stück weit. Beim gesetzlichen Mindestlohn will er nun doch die Gewerkschaft miteinbinden, die er damit bisher vor den Kopf gestoßen hatte.

Doskozil weiß, dass er die einflussreiche Vorfeldorganisation als Parteichef brauchen wird. Spätestens am Parteitag muss er auf ihre Gunst hoffen.

Auf Kriegsfuß, dann Verbündeter

Für Doskozil, aufgewachsen in Grafenschachen im burgenländischen Süden, geht es auf der politischen Karriereleiter schon seit einigen Jahren steil nach oben. So richtig aber erst seit 2015. Da war Doskozil noch Polizeichef in seinem Heimatbundesland. Er managte damals die Fluchtkrise an der Grenze zu Ungarn. Sein Gesicht flimmerte immer öfter über die österreichischen Fernsehbildschirme. Doskozil gab sich einst als gelassener Erklärer in einer ansonsten unübersichtlichen Situation. Wenig später holte ihn der frühere rote Kanzler Werner Faymann als Verteidigungsminister nach Wien.

Schon als Minister neigte Doskozil aber zu Impulshandlungen. Etwa als er 2017 andachte, mit Panzern und hunderten Soldaten die Brenner-Grenze zu Italien für Flüchtlinge im Ernstfall dichtzumachen. Ausbaden durfte diese diplomatische Krise mit dem europäischen Süden übrigens Faymanns Nachfolger als Kanzler, Christian Kern. Mit dessen Politik als Oppositionsführer stand Doskozil bald offen auf Kriegsfuß. Da war er bereits ins Burgenland zurückgekehrt. Von dort aus wurde er zum größten Kritiker seiner eigenen Partei – mit seiner prononciert harten Migrationslinie und einem Hang zur Verstaatlichung.

Erst in den vergangenen Monaten näherten sich Doskozil und Kern wieder an und sprachen sich aus. Mittlerweile ist der Altkanzler der prominenteste Unterstützer und Ideengeber des burgenländischen Landeschefs. Kern glaubt daran, dass die SPÖ mit Doskozil an der Spitze am ehesten Schwarz-Blau im Bund verhindern könne. Wie alle Anhänger Doskozils.

Die vage Distanz zu Blau

Ob Doskozils chronisch raue Stimme in einem baldigen Wahlkampf noch zu einer Hypothek werden könnte, darüber scheiden sich in der SPÖ allerdings nach wie vor die Geister. Wer Doskozil zuletzt auf seiner Wahlkampftour begleitet hat, weiß, dass er im Trubel größerer Menschenmengen schwer zu verstehen ist – selbst für jene, die nah an ihm dran stehen. Das Bierzelt wird im Wahlkampf eher nicht mehr zu seinem Habitat. Das ist Doskozil bewusst.

Sobald der Landeshauptmann aber in ein Mikrofon spricht, ob fürs Fernsehen oder auf einer Bühne, erreicht er eine hörbare Lautstärke. "In der Politik sollte es nicht um laut oder leise gehen, sondern um richtig oder falsch", sagte Doskozil dazu einmal. Der 52-Jährige glaubt nicht, dass ihn seine Stimme an einem Wahlsieg hindern könne, betont er immerzu. Das habe er bereits mit der Absoluten im Burgenland bewiesen.

Ebenso überzeugt ist Doskozil davon, dass die SPÖ schon jetzt für alle Wählerinnen und Wähler reinen Tisch machen und sich auf eine Koalitionsvariante festlegen sollte. Der Burgenländer will bestenfalls mit Neos und Grünen im Bund regieren. Aus heutiger Sicht stellt sich diese Variante in den Umfragen aber noch als volatiler Wackelkandidat heraus. Eine Neuauflage der großen Koalition will Doskozil jedenfalls mit allen Mitteln vermeiden.

In diesem engen Korsett blieben Doskozil also nur noch die Freiheitlichen als allerletztes Ausweichmanöver. Von dieser für die Roten sensiblen Allianz, die Doskozil im Burgenland schon zelebriert hatte, rückte der gelernte Polizist in den vergangenen Wochen nie vollständig ab. Diese schließt er nämlich dezidiert nur mit Herbert Kickl an der blauen Parteispitze aus. Aber diesen Streit mit der Partei will sich wahrscheinlich nicht einmal ein Hans Peter Doskozil einhandeln. (Jan Michael Marchart, 22.5.2023)