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Reuters/Mueller
STANDARD-Mitarbeiterin Verena Mayer aus Berlin Die Öffnung, durch die Mütter rund um die Uhr ihre Kinder schieben können, verbirgt sich unter einer Klappe aus Metall. Dahinter steht ein weich gepolstertes Gitterbett. Sensoren melden sofort jede Bewegung in den Decken. Binnen einer Stunde treffen Sozialarbeiter ein, die das Baby versorgen. Nach acht Wochen, in denen sich die betroffene Frau ihre Entscheidung überlegen kann, wird eine Pflegefamilie gesucht. Die Mutter bleibt in jedem Fall anonym. „Babyklappe" heißt die Einrichtung des Hamburger Vereins „SterniPark", die nun in Betrieb gehen soll. 40 Säuglinge wurden im vergangenen Jahr in Deutschland ausgesetzt, 20 überlebten nicht. In Brandenburg sperrte eine Mutter ihr Kind in den Keller und ließ es verhungern. In Gera warf eine 32-Jährige ihr Baby in den Fluss. In Sachsen wiederum brachte eine Mutter einen Säugling um, den ihr eigener Vater gezeugt hat. Verhütung ein Tabu In Frankfurt an der Oder steht seit Februar eine 24 Jahre alte Frau vor Gericht, die ihre beiden Söhne, zwei und drei Jahre alt, vierzehn Tage allein in ihrer Wohnung zurückließ, und zu ihrem Freund zog. Als Daniela J. wiederkam, waren die Kinder verdurstet. Sie habe sich überfordert gefühlt, sagt die junge Frau vor Gericht. Daniela kommt aus einer Familie, in der Verhütung kein Thema ist. Vier Kinder hatte sie von verschiedenen Männern. Keiner zahlte, Daniela war arbeitslos. Ein Kind gab sie zur Adoption frei, eines überließ sie der Obhut ihrer Eltern. Das Jugendamt fragte nicht nach. Daniela J. droht eine Verurteilung wegen Doppelmords. Zu dreizehneinhalb Jahren Haft wegen Totschlags wurde Mitte März die 28 Jahre alte Antje K. verurteilt. Drei Babys hatte sie nach der Geburt getötet. Die Polizei fand die Leichen der Kinder in der Tiefkühltruhe, eingehüllt in Plastiksäcke, Knäuel von Stoff im Rachen. Wie im aktuellen Wiener Fall hatte auch Antje K. ihr erstes Kind mit 16 Jahren bekommen, das zweite mit 18. Ihr Mann wollte Sex, aber keine Kinder, heißt es bei Gericht. Antje K. ließ es geschehen und gebar im Bad oder auf dem Klo. Dann erstickte sie ihre Kinder. Ihrem Mann und den Nachbarn sagte sie, „Blutschwämme" hätten ihren Bauch aufgebläht. Keiner stellte weitere Fragen. Das ist der aktuelle Hintergrund, vor dem die Diskussion um die „Babyklappe" geführt wird. Bewusst haben die Initiatoren für ihr Projekt einen Namen gewählt, der keine Fragen offen lässt. „Extreme Situationen erfordern extreme Reaktionen", meint Heide Kaiser, Mitarbeiterin bei „SterniPark". Dementsprechend verstört reagierte die deutsche Öffentlichkeit. Eine Hamburger Politikerin rief die Staatsanwaltschaft auf zu prüfen, ob da nicht zur Kindesaussetzung angestiftet würde. Von „falschem Ansatz" sprach entsetzt die Hamburger CDU. Bis nach Belgien schwappte die Empörung. In der flämischen Zeitung Het Laatse Nieuws wurde es als Errungenschaft bezeichnet, dass „Babyklappen" bei Wohlfahrtseinrichtungen in Flandern bereits 1863 abgeschafft wurden. Kirchliche Tradition Gefallen findet die Hamburger Initiative dagegen bei den Kirchen. „Wenn die Babyklappe Leben rettet, nenne ich das einen Akt christlicher Barmherzigkeit", sagt Margot Käßmann, evangelische Bischöfin in Hannover. Damit werde die kirchliche Tradition des Mittelalters, als Frauen ihre Neugeborenen an der Klostertüre absetzen konnten, wieder aufgenommen. Eine solche Institution sei in jedem Falle besser als eine Abtreibung, ist der Grundtenor der Kirchen. Im oberpfälzischen Amberg betreibt die katholische Kirche sogar selbst eine solche Einrichtung: Die „Aktion Moses" besteht seit einem halben Jahr. Nur in Hamburg und Bayern sind „Babyklappen" derzeit möglich - die Existenz solcher Stellen bringt schließlich erhebliche juristische Konsequenzen mit sich: Bis zu zehn Jahre Haft stehen auf Kindesaussetzung. Frauen, die ihre Kinder durch die Metall-Klappe schieben, bleiben straffrei. Die Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) rät anderen Ländern dringend zur Nachahmung.