Robert Cooper

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STANDARD: War die friedliche Lösung des Konflikts in der Ukraine der erste große Erfolg der "sanften Supermacht" EU?

Cooper: Nein. Es hat davor schon andere Erfolge gegeben. Der größte ist, dass es - abgesehen vom Balkan - seit 1945 keinen Krieg gegeben hat. Heute glaubt jeder, es sei natürlich, dass wir nicht gegeneinander kämpfen. Aber die Geschichte zeigt, dass das vollkommen unnatürlich ist.

STANDARD: Warum sehen aber immer weniger Menschen die EU als Erfolgsstory? Warum ist jetzt zu befürchten, dass die EU-Verfassung am Widerstand einer Mehrheit in großen Ländern wie Frankreich und Großbritannien scheitert?

Cooper: Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall sollten wir in den Schulen besser Geschichte unterrichten, damit die Leute besser verstehen, was die Alternativen wären.

STANDARD: Was wären die Konsequenzen eines Scheiterns der EU-Verfassung?

Cooper: Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Es wäre ein größerer Rückschlag für Europa. Mein Rat an die Politiker ist, den Menschen sehr genau den Inhalt der Verfassung zu erklären und auch darzulegen, was die EU an Gutem bewirkt hat. Wenn die Verfassung trotzdem scheitert, wird man sehen, was zu tun ist.

STANDARD: Im Zusammenhang mit der jüngsten Charmeoffensive von US-Präsident George W. Bush in Europa nach dem Irak-Konflikt meinte der EU- Außenbeauftragte Javier Solana, in den Grundsätzen und Werten stimmten die USA und Europa überein. "Nur" über die Methoden gebe es Differenzen. Aber ist nicht das genau der Punkt: Sind es nicht gerade die Methoden, die etwas über die Werte selbst aussagen?

Cooper: Das stimmt. Und es gibt wichtige Unterschiede zwischen Europa und den USA. Aber besuchen Sie Japan, China oder Indien, und Sie werden feststellen, wie extrem nahe Europa und die USA einander stehen.

STANDARD: Werden die USA Europa, als eine Lehre aus dem Irakkrieg, eine stärkere internationale Rolle zugestehen?

Cooper: Die Amerikaner sind harte Pragmatiker. Sie wollten möglichst viele Länder als Verbündete, aus praktischen Gründen und wegen der Legitimität. Und wir Europäer haben wahrscheinlich ein noch größeres Interesse als die USA an einem stabilen, gut regierten Irak. Was immer man über die ursprüngliche US- Kampagne denkt - wir sind jetzt, wo wir sind. Und wir sollten das Beste daraus machen.

STANDARD: Ist die Vorstellung naiv, dass die EU allein durch ihre Attraktivität für Außenstehende, also durch ihre schiere Existenz, eine wirkliche Supermacht werden könnte?

Cooper: Wir leben noch immer in einer gefährlichen Welt. Es gibt Zeiten, da militärische Mittel notwendig sind. Wenn wir auf dem Balkan früher zum Einsatz von Gewalt bereit gewesen wären, hätten wir den Krieg wahrscheinlich gestoppt. Wir sollten viel öfter zu kleinen militärischen Operationen bereit sein, als wir das bisher sind. Das erfolgreichste Beispiel dafür liefert der Einsatz in Mazedonien.

Auf der anderen Seite kann man die Macht des Militärischen übertreiben. Die Länder Mittel- und Osteuropas sind letztlich durch militärische Mittel 40 Jahre lang im Sowjetblock gehalten worden. Und was ist davon geblieben? Nichts. Ich glaube, die Macht der Idee der Europäischen Union ist sehr, sehr stark. Die EU wird keine Supermacht werden in dem Sinn, dass sie anderen ihren Willen aufzwingt. Aber ich würde es begrüßen, wenn das europäische Beispiel Schule macht, dass es bessere Wege zur Regelung der Beziehungen gibt als militärische Macht. (DER STANDARD, Print, 14.4.2005)