Politikerfrauen: Ersatz für das fehlende Königshaus |
Geschlechterpolitik
<i>Politikerfrauen</i>: First Lady im Schatten
Von der Gattin nahmen die Medien früher kaum Notiz
In den Dokumentationen zum Tode Rudolf Kirchschlägers war auch Herma Kirchschläger
zu sehen, die fast sechzig Jahre "an seiner Seite gestanden" ist, wie es in den
Nachrufen hieß. Den meisten Österreichern wird erst dabei so recht bewusst geworden
sein, dass der langjährige Spitzenpolitiker überhaupt verheiratet war - denn in Wahrheit
stand die Gattin eher "im Schatten" als "an der Seite" Kirchschlägers.
So war es der Brauch. In Österreich herrschte lange das Bild, dass das Zuhause des
Politikers eben ein Zuhause ist wie jedes andere - und dass die Frau eben daheim den
Haushalt führt. Das ging so weit, dass man das wie selbstverständlich auch von den
Politikerinnen annahm: Die erste Ministerin, die 1966 ins Kabinett Klaus berufene Grete
Rehor, wurde von Reportern noch gefragt, wie sie die Arbeit in der Küche und im
Ministerium unter einen Hut bringe.
Selbst vom "Medienkanzler" Bruno Kreisky (1970 bis 1983) wusste man aus dem
Familienleben kaum mehr, als dass er mit Vera Kreisky verheiratet war - Sohn Peter
erschien damals interessanter, schließlich gab es mit ihm auch inhaltliche Konflikte.
Politikerfrauen interessierten die Öffentlichkeit nicht.
Mit ganz anderen Anrufern
Eine Ausnahme bildete Bundespräsident Franz Jonas (1965 bis 1974) - seine Frau Grete
stellte die Zielscheibe von bösen Witzen dar, in denen sich ÖVP-Anhänger über die
geringe Bildung der "First Lady" lustig machten.
Sogar Politikerfrauen, die sich selber politisch engagierten, blieben nur dem engsten
Kreis bekannt: Emma Adler, Frau des Gründers der SPÖ, war 1887 ohne Aufsehen
Modell für ein Marienbild in der Kirche von Nussdorf am Attersee gesessen - woran sich
die konservativen örtlichen Bauern erst stießen, als sie erfuhren, dass es "die Adlerin"
war. Jahre später geriet das Bild übrigens in den Ruf, ein Gnadenbild zu sein.
(cs)