Geschlechterpolitik
Designierte FPÖ-Chefin will eigenständiges Profil entwickeln
Riess-Passer: Nicht Platzhalterin Haiders - Vizekanzlerin sieht Freiheitliche in "Umorientierungsphase"
Wien - Sie sei nicht "Platzhalterin" für Jörg Haider an der FPÖ-Spitze. Dies erklärte am
Sonntag in der "Pressestunde" Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Sie soll beim
Bundesparteitag am 1. Mai Haider als Bundesparteichefin ablösen. Riess-Passer
betonte, dass sie ein eigenständiges Profil entwickeln wolle. Schon jetzt habe es
zwischen ihr und Haider verschiedene Auffassungen in zahlreichen inhaltlichen Fragen
gegeben. Auf die Frage des STANDARD, um welche es sich dabei gehandelt habe, meinte
Riess-Passer, sie werde Haider "sicherlich nicht" in der Öffentlichkeit kritisieren. Der
abtretende FPÖ-Chef werde außerdem nach ihrer Wahl zur Parteichefin nicht "von der
politischen Bühne verschwinden".
Gleichzeitig räumte Riess-Passer aber ein, dass sich ihre Partei in einer
Umorientierungsphase befinde. Dies sei natürlich, wenn man von der jahrelangen
Opposition in die Regierung wechsle.
Sickl will bleiben
Zufrieden zeigte sich die designierte FPÖ-Chefin in der Pressestunde mit der Arbeit der
FPÖ-Regierungsmitglieder. Dies gelte auch für Sozialministerin Elisabeth Sickl, die nur
in der Öffentlichkeit schlecht gemacht werde. Sickl selbst sprach im ORF-Kärnten von
einer "Schmutzkübelkampagne", die derzeit von einigen Seiten gegen sie geführt werde.
Die Behauptung, sie wäre als Ministerin überfordert, ziele nur darauf ab, dass sie
"vorzeitig den Hut draufhaut". Sie werde jedoch bis zum Ende der Legislaturperiode im
Amt bleiben.
Noch offen ist die Besetzung der vakanten Posten in der FPÖ. Riess-Passer gab darüber
am Sonntag keine Auskunft. Sie habe zwar bereits "genaue Vorstellungen", wolle diese
jedoch in den Parteigremien berichten.
Scharfe Kritik übte sie an einer von profil veröffentlichten Umfrage, wonach die FPÖ nur
noch bei 17 Prozent liege. Wörtlich sprach sie von einer "hausgemachten Umfrage".
profil-Chefredakteur Herbert Lackner stellt umgehend klar: Die Umfrage sei vom Institut
für Strategische Markt- und Meinungsforschung (ISMA) durchgeführt worden, dessen
Daten bei der Nationalratswahl am 3. Oktober dem tatsächlichen Ergebnis am nächsten
gekommen seien.
Riess-Passer wies neuerlich die Sanktionen der EU-14 gegen die Regierung zurück.
Diese hätten das Ziel gehabt, eine Regierungsbildung zwischen FPÖ und ÖVP zu
verhindern. Die Auslandsreisen des designierten SPÖ-Chefs Alfred Gusenbauer und des
Grünen-Bundessprechers Alexander Van der Bellen bezeichnete sie als "Aktionen
Österreicher gegen Österreich".
Gusenbauer dementierte umgehend: "Wahr ist, dass ich bei meinen zahlreichen
Auslandsbesuchen versuche, ein differenzierteres Bild von Österreich herzustellen, was
angesichts der fortgesetzten Hetze der FPÖ ohnedies schwierig ist." Kein einziges Land,
das er, Gusenbauer, besucht habe, sei für eine Verschärfung der Maßnahmen gegen
Österreich gewesen. Im Gegenteil: Seine Reisen hätten durchaus positive Folgen für
Österreich nach sich gezogen.
Gusenbauer wehrt sich
Der designierte SPÖ-Chef erinnerte an den Besuch des Fraktionschefs der Sozialisten in
der französischen Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault, der ausdrücklich betont
habe, dass sich die Maßnahmen nicht gegen die österreichische Bevölkerung richten
dürften. Er habe dazu aufgerufen, dass Touristen verstärkt nach Österreich kommen
sollten. "Die FPÖ soll endlich aufhören, ständig andere für ihre isolierte Stellung in
Europa verantwortlich zu machen."
(red)