Christine Dollhofer wurde am 22. Juni 1963 in Wels geboren. Sie studierte Theaterwissenschaft und Publizistik an der Universität Wien. Ab 1991 war sie bei verschiedenen Filmreihen - z.B. "Mörderinnen" - für Organisation und Konzeption verantwortlich. Nach einem Lehrauftrag an der Universität Wien zum Thema "Kino- und Verleihlandschaft in Österreich" 1995/96 wurde sie 1996 Mitglied der Auswahlkommission des Österreichischen Filminstitutes. Gemeinsam mit Constantin Wulff leitet sie die DIAGONALE in Graz. Die 35-jährige Diagonale-Intendantin sprach mit Pia Feichtenschlager über Frauen in der Filmlandschaft und die politischen Querelen die das Festival begleiteten. dieStandard: Auch die Filmbranche ist ja noch ein männerdominiertes Feld. Wie ist das frausein in dieser Branche? Christine Dollhofer: Manchmal kommt man sich schon als Quotenfrau vor. Im Filmbereich arbeiten wahnsinnig viele Frauen - aber die Frauen sind immer in den zweiten Positionen. Die Männer haben den Filmverleih, die Produktionen, die Kinos über. In diesem Bereich gibt es wenig Frauen: Brigitte Burger-Utzer, die Geschäftsführerin von sixpack film und das Drehbuchforum fallen mir ein. Es gibt ein paar Verleiherinnen. Bei den Produktionsfirmen fällt mir jedoch keine ein, die eine Frau leitet. Das Herz und die Arbeit liegt jedoch meist bei Frauen. Festivalleiterinnen gibt es auch nicht viele. Ich erlebe oft, dass ich bei Diskussionen oder Gremien eingeladen werden, weil eine Frau fehlt. Es ist aber sehr wohl zu spüren, dass das Bewusstsein vorhanden ist. DieStandard: Im DIAGONALE -Programm fällt auf, dass Verhältnismäßig viele Arbeiten von Frauen gezeigt werden. Ist das ein Bemühen der Festivalleitung oder ein zufälliges Ergebnis? Ch. Dollhofer: Durch günstigere Produktionsbedingungen wie Video ergibt sich an der Summe der Einreichungen ein großer Frauenanteil. 90 Prozent der eingereichten Frauenarbeiten sind Videoarbeiten. Das hat mit dem Zugang an Produktionsmittel zu tun. Ich glaube, dass diese günstigen Produktionsbedingungen die Hemmschwelle und die Panik davor nimmt, etwas Großes und Teures zu machen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Auch ist es für Frauen schwieriger, mit Anerkennung aber auch mit Kritik umzugehen. Frauen können Lob und Begeisterung viel weniger annehmen. Es gibt aber auch viele junge Filmregisseurinnen für den Kinobereich: Für Langspielfilm, Dokumentarfilm. Eine ganze Generation, die gerade mit der Filmakademie fertig geworden ist - z.B. Barbara Albert ( Nordrand ), die allerorts bekannt ist, Miriam Unger, Jessica Hausner ("Inter-View"), ... Diese Frauen vernetzen sich. Sie haben mit anderen eine eigene Produktionsfirma gegründet. Das ist eine Gruppe, die interagiert, die sich austauscht. Es gab ja in den 70-er Jahren bereits ähnliches. Das hier ist jetzt eine neue Generation, die Geschichten erzählen, die mich interessieren, mit denen ich mich identifizieren kann. DieStandard: Frauen, die "Frauenfilme" machen? Ch. Dollhofer: Frauenrollen in den Filmen bekommen natürlich einen anderen Stellenwert oder andere Aufmerksamkeit. Wenn es um die Geschichte einer Frau geht, nicht aus der Sicht der Männer - ist das natürlich eine andere Rezeption. Ein Film wie Nordrand (Großer Diagonale-Preis, Anm.) - wo Barbara Albert selbst sagt, dies ist kein Frauenfilm - der ist für beiderlei Geschlecht ein wichtiger Film, bei dem man sich als Mann genauso interessante Aspekte herausholen kann. Interessant ist aber, dass Männer die Filme von Barbara Albert ganz anders wahrnehmen als Frauen. Ich hab bei diesen Filmen ja immer diese Erlebnisse: "Das kenn ich auch". - "So war das bei mir auch". Das ist ganz klar. Das ist eine andere Sozialisation und Rezeptionsgeschichte. Andererseits haben wir die Arbeiten von Fiona Rukschico, z.B. "common.places" (Diagonale-Preis für Innovatives Kino, Anm.), die dezidiert ein Frauenthema bearbeitet. Wo es um sexuelle Belästigung geht und wie Frauen sozusagen auf sehr unterschiedliche Weise mit diesen Übergriffen umgehen. Die sich Themen annimmt, die der feministischen Tradition entsprechen, und die ja auch eher von der Kunst und nicht von der Filmseite kommt. DieStandard: Nicht die Spielfilme, sondern die verschiedenen Spezial-Schienen scheinen ja beim Publikum gut anzukommen. Ch. Dollhofer: Das spannende ist ja die Bandbreite. Film ist nicht nur wenn ich einen 35-mm Film gemacht habe, der eine narrative Geschichte erzählt und der dann im Kino ist. Film ist so vieles, z.B. die Arbeiten in der elektronischen Musikszene, in der Visualszene. Leute von der Angewandten, Autodidakten, auch Leute die noch nie gefilmt haben und das aus einer politischen Situation und Motivation heraus tun. Für uns ist wichtig, dass die Arbeiten grundästhetische Kriterien erfüllen. Deshalb erlauben wir uns auch, im innovativen Bereich eine Auswahl zu treffen. Denn alles zu zeigen wäre auch rein praktisch nicht möglich. DieStandard: Gerade bei den Langfilmen werden zum Teil Filme gezeigt, die bereits im Kino liefen oder gerade laufen. Ch. Dollhofer: Es gibt im Jahr an die 10 österreichischen Kinofilme, die kommerziell produziert werden. Die zwischen 10 und 20 Millionen Schilling kosten. Die werden einmal im Jahr gezeigt, um einen Überblick über die gesamte Jahresproduktion zu haben. Wir machen es auch für die internationalen Gäste, damit diese sich einen Eindruck über die österreichische Filmlandschaft verschaffen können. Vorwiegend über den Kinofilm, der dann auch kommerziell im Ausland vertrieben wird. Sozusagen eine Ausstelllung aller Filme, die in eine bestimmte Produktionskategorie fallen. DieStandard: Die DIAGONALE als reines Branchenfestival? Oder doch auch ein Publikumsfestival? Ch. Dollhofer: Die Diagonale ist ein Festival für die Branche und für Filminteressierte. Das Kontingent ist 50 zu 50. Das heißt 50 Prozent Kaufkarten und 50 Akkreditierungen. Diese Melanche zwischen Brachentreffpunkt und offenem Publikumsfestival ist uns auch sehr wichtig. Graz ist ja auch eine StudentInnenstadt und hat eine angenehme Kinostruktur. Es gibt ein sensibilisiertes Publikum. DieStandard: Die diesjährige DIAGONALE hat sich ja sehr eindeutig gegen die Regierung positioniert: Die Erklärung im Katalog, eine Demonstration am Donnerstag und eine Reihe von "Widerstandsvideos". Wieso zeigte man diese Dokumente nur in den Kinos und ging damit nicht in den öffentlichen Raum? Ch. Dollhofer: Wir sind nun mal ein Filmfestival und nützen unsere Räumlichkeiten, und das sind die Kinos. Auch kam der Zeitfaktor dazu. Die Filme sind praktisch erst am Dienstag vorm Festival fertig geworden. Wir haben sie vorher auch nicht gesehen. So etwas Spontanes hätte man nicht ankündigen können. Aber es wird ja auch hier nicht das letzte mal sein, dass die Filme laufen. Das wird einen sehr weiten Weg machen. Die DIAGONALE war sicher nicht die letzte Station. Auch ist es eine finanzielle Frage. Und Veranstaltungs- technisch nicht unkompliziert. DieStandard: Wie bewerten Sie die Drohung der steirischen Landespolitiker der FPÖ und der ÖVP wegen regierungskritischer Texte im Festivalkatalog, den DIAGONALE -Filmpreis rückzustellen? Ch. Dollhofer: Der DIAGONALE -Filmpreis wurde natürlich für den Vorwahlkampf für die Landtagswahlen instrumentalisiert. Wir haben viele Unterstützungserklärungen von privater Seite, z.B. eine Galerie in Baden, bekommen. Der Verband der Filmresseure wollte sammeln gehen. Aber die Politik darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Wir hoffen dass diese verbalen Drohungen keine negativen Auswirkungen auf die nächste DIAGONALE haben. Das wäre auch gegen das demokratische Grundprinzip. Ich hoffe, das Festival ist nicht gefährdet. Es gab auch einen Dialog mit Landesrat Gerhard Hirschmann (V), wo die Resolution im Katalog besprochen wurde, wo darauf hingewiesen wurde, dass Kritik erlaubt sein muss. Auf alle Fälle wurde das Geld schriftlich zugesagt. Kulturreferent LHStv. Peter Schachner-Blazizek (S) haftet persönlich für die Auszahlung. Auch die FPÖ hat angekündigt, sich nicht querzustellen. DieStandard: Die große Unterstützung von Außen ist ja für die DIAGONALE ein großer Erfolg. Ch. Dollhofer: Das befreit natürlich. Dass die Zivilbevölkerung so wachsam ist und gleich reagiert wenn etwas im Argen ist, ist sehr erfreulich. Die Regierung darf sich aber nicht aus ihrer Verantwortung stehlen. Mit reiner Finanzierung durch die Wirtschaft wäre das Festival nicht möglich. Die DIAGONALE ist ein Luxus, den sie das Land leisten muss.