Graz - Mit der Ausschreibung der künstlerischen Leitung des Grazer Kunstvereins war eine Position zu besetzen, die in Graz nicht frei von Widersprüchen war. Seit Kurzem steht fest, dass der Deutsche Soeren Grammel mit dieser Funktion betraut wird und ab Juni 2005 seine neue Stelle antreten wird.

In Hinblick auf mögliche künftige Einflussnahmen auf seine Arbeit versichert Soeren Grammel, dass ihm der Vorstand des Kunstvereins absolut freie Hand für sein Programm garantiert, und es zu keinen programmatischen Vermischungen mit einer anderen Institution kommen wird.

Wohl ist Grammel an Kooperationen interessiert, aber nur, um einem zu starken Autorendenken entgegenzuwirken. Er möchte "programmierte Kontrollverlustsarbeit" leisten. Was die räumliche Situation betrifft, möchte er sich nicht auf seinen Ausstellungsraum beschränken. Er meint, dass der Kunstverein als Verteilerkanal funktionieren kann, und möchte vermehrt in den öffentlichen Raum gehen. "Ein Kunstverein produziert und vermittelt künstlerische Praktiken, das muss nicht in den eigenen vier Wänden stattfinden."

Sein Programm sieht er auf drei Säulen ruhend: Neue Entwicklungen aufgreifen und präsentieren, Einzelausstellungen und kleine Gruppenausstellungen. Eine wichtige Position des Kunstvereins ist das kritische Infragestellen. "Das ist der Mut und der Luxus, den ein Kunstverein haben kann." Grammel sieht die Institution Kunstverein als Nischenprodukt, das eine Qualität der Glaubwürdigkeit repräsentiert, die in starkem Gegensatz zu städtischen Institutionen steht, die ja einen Öffentlichkeitsauftrag erfüllen müssen. Angesprochen auf seine Ziele, meint er, dass es ihm wichtig ist, dass der Kunstverein ein Ort ist, der spannende Positionen vorstellt. Im lokalen Bereich möchte er der Erste sein, der hier etwas Neues präsentiert. Gegen die Verantwortung, im Kunstverein nur lokale Künstler zu zeigen, verwehrt er sich. Eher soll hier eine Schaufensterfunktion ausgeübt werden, in deren Auslage gezeigt wird, was in der Kunstwelt allgemein passiert und worauf die lokale Szene reagieren kann. Den Ausschluss des einen oder des anderen hält er für eine falsche Entwicklung. Gerne würde er "die popkulturelle Jugend" als Publikum für gewinnen.

"So wie man in spezielle Plattenläden und das Programmkino geht, soll die Jugend, was bildende Kunst betrifft, in den Kunstverein gehen." Der Kunstverein an sich muss da nicht anders werden. Eher soll der Staub, der sich auf seinem Namen abgelagert hat, abgeschüttelt werden. Um eine starke eigene Identität, einen selbstbewussten Kunstverein zu präsentieren, und an dessen Bekanntheitsgrad zu arbeiten, um klar werden zu lassen, welch ein Juwel Graz mit dieser Institution hat.

Soeren Grammel hat, wie er sagt, ein starkes persönliches Interesse am Grazer Kunstverein, in dem er Ausstellungen gesehen hat, die ihn in seinem Werdegang stark beeinflusst haben. Es hat sich mit der Zeit ein Begehren dieser Institution gegenüber entwickelt, das sich in gewisser Hinsicht nun erfüllt. Ein Ziel für seine zukünftige Arbeit liegt darin begründet, das Begehren des Konsumenten aktiv umzusetzen und so anderen zu vermitteln. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.05.2005)