Foto: Hersteller
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Es klickert und klimpert auf dem Firmengelände von Bisazza. Als würde jemand ganz langsam Eiswürfel in ein Glas purzeln lassen. Es ist natürlich kein Eis, was hier in Alte, einer italienischen Kleinstadt nahe Vicenza, vor dem Fabrikgebäude in einen Container fällt, sondern Glas. Genauer gesagt Glasmosaike - kleine, quadratische Steinchen aus Quarzsand und Emaille. In den kleinen Container dort draußen fällt alles, was den prüfenden Blicken der Fabriksarbeiter drinnen nicht standgehalten hat: schiefe Außenkanten, Luftblasen im Glas, vermurkste Farben. Denn bei Bisazza, Marktführer von hochwertigen Mosaiken, legt man Wert auf Qualität.

Zwei Öfen stehen in Alte, einer von vier Produktionsanlagen der Firma, und produzieren täglich rund 5000 Quadratmeter Mosaiksteinchen. 1956 gründete Renato Bisazza die Firma unter dem Namen Vetricolor. Die Glaskunst Venedigs hatte es dem Firmenchef angetan, oft hatte er die Glasbläser Muranos besucht, und schließlich fand er einen Weg, die alte venezianische Kunst mit moderner Technologie zu verbinden. Bis heute stellt die Firma den Avventurina ("kleines Abenteuer") her, einen Halbedelstein, dessen Rezept aus dem Venedig des 17. Jahrhunderts stammt. Und bis heute hütet Bisazza das Geheimnis der Herstellung, die jedes Mal tatsächlich ein kleines Abenteuer ist: Zwei Wochen lang backt der Stein im Ofen, und wenn das Mischungsverhältnis nicht stimmt oder die Hitze zu groß ist, glänzt das Steinchen am Ende nicht wie ein kupferfarbener Regenbogen, sondern ist nur ein fehlfarbener Klumpen. Im Jahr 2005 ist Bisazza ein Unternehmen mit beinahe 900 Angestellten, vier Produktionsanlagen, vier Showrooms (unter anderem in Berlin) und neun Filialen weltweit. Plus gut 4000 Verkaufsstellen, über die man die teuren Mosaike beziehen kann.

Renatos Sohn, Piero Bisazza, hat die Leitung der Firma übernommen, seine Schwester Rosella ist zuständig für die Zusammenarbeit mit Designern, Künstlern und Architekten. Denn darauf baut man: In den vergangenen fünf Jahre, in denen laut Bisazza ein stetiger Boom von Glasmosaiken festzustellen war, hat man nicht in die Vergrößerung der Produktion investiert. Sondern in die Neupositionierung, in neue Ideen für neue Anwendungen: in Design. Galten vor nicht allzu langer Zeit Mosaike noch als kitschig und hässlich, mit denen man allenfalls noch hässlichere Außenwände aufwertete oder Bäder "verkleidete", wird den bunten Steinchen heute ein schickes Image zugeschrieben.

Bisazza verpflichtete Alessandro

Mendini und später Fabio Novembre als Artdirectors, die beide das Mosaik an neuen Orten verwendeten: Sie schmückten damit Geschäfte, Hotels und Restaurants, statteten U-Bahn-Stationen in Wien, Neapel, London aus. Novembre schuf mit den Showrooms in Mailand, New York und Berlin glänzende Auftritte für die Steinchen, die je nach Kollektion zart schimmern wie Perlmutt, farbige Schlieren von Grün und Gelb tragen oder gar golden glänzen - dafür sorgt 24 Karat Blattgold (Quadratmeter ab 2750 Euro).

Am besten verkaufen sich die wertvollen "La Gemme"-Kollektionen aus Halbedelsteinen (Quadratmeter für ca. 179 Euro), "Smalto", Farbmischungen mit Goldmosaiken sowie "Sfumature": ein Mix aus Glasmosaik, dessen Farben von hell zu dunkel verlaufen.

Mittlerweile hat man den nächsten klingenden Namen im Designzirkel beauftragt: Marcel Wanders repräsentiert nun Bisazza auf Messen, zum Beispiel der Mailänder Möbelmesse. Dafür designte Wanders seine "coffee tables": kleine Tischchen mit Rundumverkleidung aus Mosaiken. Ganz im Sinne der Firma, will sie doch Neuland beschreiten und Mosaike an ungewohnten Orten einsetzen. Warum zum Beispiel nicht auf Autos?

Jüngster Coup ist denn auch eine Kooperation mit Mini

... die zu einer ungewöhnlichen Außenhaut von vier Mini-Wagen führte: Mit jeweils 37.000 Steinchen verkleidete man in acht Tagen die kleinen Flitzer, die danach aussahen wie aus einer Modeschneiderei für Vierräder entsprungen. Kühle Schwarz-Weiß-Optik im Sixties-Look, ein den 80er-Jahren entlehnter Streifenlook, ein Wagen im Zebra-Stil und einer mit großzügigem floralen Muster - so stehen die vier im Showroom in Alte und werden in den kommenden Monaten in der ganzen Welt herumgereicht, um Ahs und Ohs zu empfangen. Fahrbereit sind die Minis allerdings nicht: Zu gefährlich wären splitternde Glasmosaike im Falle eines Unfalles, und deshalb tragen die Autos zwar einen schicken Mantel, aber keinen Motor.

Und so ähnelt dieser neue Einsatz von Mosaiken demjenigen der Soft-Mosaike aus dem Jahre 2004: Für die Mailänder Möbelmesse ließ Bisazza auf durchaus präsentablen Schaumstoffsesseln Mosaike auftragen, die nachgeben, ja beinahe federn. Auch dieses Design ist (noch) nicht serienreif, weil sich bislang kein Kleber fand, der auf dem schwierigen Untergrund das ungewöhnliche Sitzerlebnis dauerhaft garantiert. Doch bei Bisazza glaubt man daran, dieses Problem eines Tages in den Griff zu bekommen. Eines ist zumindest sicher: Die designorientierten Kunden zeigen sich begeistert von solch neuen Produkten. Und ebenso sicher scheint: Ein Unternehmen, das so innovativ ein altes Handwerk pflegt, wird sich wohl auch in Zukunft gut auf dem Weltmarkt behaupten können.
(Mareike Müller/Der Standard/rondo/13/05/2005)