Brothers, der neue Film der dänischen Regisseurin Susanne Bier, baut die charakterlichen Eigenschaften zweier ungleicher Brüder nur auf, um sie wieder zu zerstreuen: Was ein Rollenbild - auch in der Wahrnehmung - bestimmt, steht hier auf der Probe. Eine äußere Kraft, in der Topografie des Melodrams entsprechend schicksalsschwer konnotiert, ist es, die darin eine Verschiebung vornimmt: Michael und Jannik werden ihre Rolle tauschen. Das öffnet den Raum für Affekte.
Bier hat bereits in Open Hearts, ihrem Dogma-Beitrag, vom Hereinbrechen einer Katastrophe in eine Liebe erzählt. In Brothers geschieht Ähnliches, als Michael in Afghanistan mit dem Helikopter abstürzt und offiziell für tot erklärt wird. Die Abwesenheit des Bruders gerät für Jannik zur Gelegenheit, sich des Familiären zu besinnen. Er nähert sich, zunächst in Trauer, Michaels Frau Sarah (Connie Nielsen) und deren beiden Töchtern an und übernimmt allmählich Verantwortung.
Mit sinnfälligen Details deutet Bier an, dass zwischen den beiden durchaus mehr als wechselseitiger Trost möglich wäre - aber es bleibt bei einem Kuss. Denn Michael kehrt zurück, um einen hohen Preis hat er sich sein Überleben gesichert. Das Kriegstrauma wirkt weiter als Schuld, die dem zivilen Leben seine Unschuldigkeit raubt. Sie wird ihm zum hehren moralischen Maß, dem seine Angehörigen nicht mehr entsprechen können. Unter veränderten Vorzeichen stehen sich die Brüder dann wieder gegenüber.