Wie würde sich ein Nein bei den EU-Verfassungs-Referenden in Frankreich und den Niederlanden auswirken?

grafik: derStandard.at
Es gebe keinen "Plan B" für den Fall eines Scheiterns des Referendums über die EU-Verfassung in Frankreich oder den Niederlanden, verkünden EU-Kommissare in diesen Tagen gebetsmühlenartig. In Brüssel werden allerdings verschiedene Szenarien, abhängig vom Ausgang der Voten in Frankreich (F) und den Niederlanden (NL), gewälzt. Die Überlegungen im Einzelnen:

F: Nein - NL: Nein

Wenn beide EU-Gründungsstaaten den Vertrag ablehnen, dann befindet sich die EU in einer Krise. Dann wird der nächste EU-Gipfel Mitte Juni über die Zukunft der Union entscheiden. Weniger umstrittene Teile wie die Einsetzung von Javier Solana zum europäischen Außenminister oder eines Präsidenten des EU-Rates könnten dort beschlossen werden. Die EU-Institutionen müssten unter den Bedingungen der bisherigen Verträge weiterarbeiten.

F: Ja - NL: Nein

In Brüssel und auch Amsterdam heißt es, dass in einem solchen Falle, die Niederländer einfach um eine Wiederholung des Referendums gebeten werden. Dies war schon der Fall, als Dänemark den Maastricht-Vertrag 1992 ablehnte und Irland 2001 den Nizza-Vertrag.

F: Nein - NL: Ja

Bei einem negativen Votum in Frankreich hängt nach Einschätzung von Brüsseler Diplomaten alles davon ab, was Präsident Jacques Chirac zum weiteren Vorgehen sagt. Eine Wiederholung des Referendums hat er nicht ausgeschlossen. Die luxemburgische EU-Präsidentschaft wäre für einen zweiten Wahlgang. Damit würde auch der Druck auf Großbritannien steigen, doch das geplante Referendum im Frühjahr 2006 abzuhalten. Von Frankreich möglicherweise geforderte Neuverhandlungen des Vertrags werden von anderen EU-Mitgliedern vorsorglich abgelehnt.

F: Ja - NL: Ja

Damit würde der Druck auf jene Staaten steigen, die ein Referendum abhalten und wo die Gegnerschaft groß ist wie Großbritannien, Dänemark und Tschechien.

Trend zum Nein verfestigt sich

Wenige Tage vor den Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich (29. Mai) und den Niederlanden (1. Juni) verfestigt sich in diesen Ländern der Trend zum Nein. In Frankreich weist eine neue Umfrage des Instituts Ifop bereits 54 Prozent Verfassungsgegner aus, vier Prozentpunkte mehr als in der Befragung desselben Instituts Anfang Mai. In den Niederlanden sagen Umfragen 60 Prozent Nein-Stimmen und eine Wahlbeteiligung von 40 Prozent voraus. Dort ist das Referendum anders als in Frankreich nicht verbindlich. (red) (DER STANDARD, Print, 25./26.5.2005)