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Foto: APA/dpa/Martin Gerten
München - Carl Amery war ein Ökologe in jeder Hinsicht. Sein Katholizismus war zugleich bajuwarisch und naturgeschichtlich geprägt, seine Vorbehalte gegen die entfesselte Marktwirtschaft bezog er aus tiefen Erdzeitaltern, und als er 1998 ein Buch über Auschwitz schrieb, ging es auch darin um "Nachhaltigkeit": Hitlers Vernichtungspolitik hatte in dieser Perspektive ihren ökologischen Kern in dem Vorsatz, der Herrenrasse die Ressourcen für eine globale Dominanz zu sichern.

"Hitler als Vorläufer" (so der Titel des Buches) wusste schon, "dass es nicht für alle reicht". Amery hatte auch dieses Gefühl, ließ sich aber eines Besseren belehren: Der Übergang von der fossilen zur solaren Kultur eröffnete ihm zugleich einen Ausweg aus den Verdrängungskämpfen des totalitären Zeitalters.

Optimist trotz allem

Er war ein Optimist, gegen die eigenen historischen Erfahrungen. Carl Amery, bürgerlich: Christian Anton Mayer, wurde 1922 in München geboren. Im Zweiten Weltkrieg kam er in US-Kriegsgefangenschaft, studierte nach seiner Freilassung in München und Washington Literaturwissenschaften und wandte sich bald praktisch dem Schreiben zu. Der Roman Die große Tour (1958) ist eine satirische Bestandsaufnahme der Adenauer-Zeit. Seine Domäne wurde aber Kritik, die ins Allgemeine zielt.

In der Katholischen Kirche fand er einen passenden Gegenstand. Seine Attacken auf die Kirche fanden viel Zustimmung. Zuletzt schrieb er 2002 unter dem Titel Global Exit über "Die Kirchen und der totale Markt" und kam dabei zu dem Befund, dass die Schöpfung bei denen, die sie geistlich verwalten, schlecht aufgehoben ist.

Das Etikett "Linkskatholik" ertrug er mit der Gelassenheit, die aus dem Wissen um drängende Umstände erwächst. Amery trat in den 70ern aus der SPD aus und spielte in der Gründungszeit der Grünen in Deutschland eine maßgebliche Rolle. Seine letzte Publikation ist ein Sammelband: Die Briefe an den Reichtum ergehen an Silvio Berlusconi und Oliver Kahn, unter den Verfassern findet sich auch Freda Meissner-Blau. Bereits am Dienstag vergangener Woche ist Carl Amery in München 83-jährig gestorben. (Bert Rebhandl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 6. 2005)