Lager-internes Widerstandsnetzwerk

Die am Donnerstag eröffnete Ausstellung "Women in the Holocaust - Frauen im Widerstand" des israelischen Moreshet Holocaust-Studien- und Forschungszentrum beschäftigt sich mit Frauen aus ganz Europa, die auf verschiedene Weise gegen den Faschismus und Nationalsozialismus angekämpft haben. Für Wien wurde die Schau um österreichische Widerstandskämpferinnen ergänzt, wie der Aktivistin Rosa Jochmann (1901-1994). Sie stammte aus einer Arbeiterfamilie und engagierte sich in der Gewerkschaft und der Sozialdemokratie. Im Ständestaat verbrachte die Aktivistin der Revolutionären Sozialisten (RS) ein Jahr in Kerkerhaft, weil sie bei einer illegalen Kundgebung eine Rede gehalten hatte. Nach dem so genannten Anschluss an Hitler-Deutschland wurde Jochmann von der Gestapo festgenommen und in das KZ Ravensbrück geschickt. Als Blockälteste bei den politischen Gefangenen beteiligte sie sich an einem Lager-internen Widerstandsnetzwerk, um - so gut es ging - die Todesmaschinerie der Nazis zu behindern. 1943 kam die Frau deswegen in Bunkerhaft. Nach 1945 war Jochmann in der SPÖ politisch tätig, u.a. als Nationalratsabgeordnete.
(Im Bild: Mahnmal Wöllersdorf: Gedenkveranstaltung zum Februar 1934, 1974, zu sehen v.l.n.r. Anton Benya, Bruno Kreisky, Rosa Jochmann, Rudolfine Muhr)
Foto: Standard/Georg Mikes

Sabotageaktionen gegen Wehrmachtseinrichtungen

Die Friseurin Antonia Bruha (geb. 1915) war im Arbeiterturnverein der Wiener TschechInnen aktiv. Mit den zunehmenden Repressionen der Nazis gegen Minderheiten, engagierte sich Bruha in einer tschechischen Widerstandsgruppe, schmuggelte Flugblätter und Zeitungen über die Grenze nach Österreich. Später beteiligte sie sich an Sabotageaktionen gegen Wehrmachtseinrichtungen. Als ihre Gruppe aufflog, wurde Bruha kurz nach der Geburt ihrer Tochter von der Gestapo abgeholt und bei Verhören misshandelt. Mit dem Vermerk "RU" (Rückkehr unerwünscht) wurde sie im KZ Ravensbrück interniert. Ihre Erlebnisse hielt die Widerstandskämpferin in dem Buch "Ich war keine Heldin" fest, noch heute berichtet sie an Schulen von ihren Erlebnissen.
Foto: DÖW

Als "U-Boote" versteckt

Ella Lingens (1908-2002) gehörte gemeinsam mit ihrem Mann Kurt einer Gruppe an, die JüdInnen als "U-Boote" u.a. in ihrer Wohnung in Wien Josefstadt versteckte. 1943 wurde die promovierte Juristin und Medizinstudentin in das Frauen-KZ Auschwitz-Birkenau gebracht, ihr Mann wurde in eine Strafkompanie an die Ostfront versetzt. Beide überlebten und wurden 1980 von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechte der Völker" geehrt. Ihr Sohn ist der Journalist und langjährige Profil-Herausgeber Peter Michael Lingens.
Buchcover "Gefangene der Angst"

Taufscheine gefälscht

Franziska Danneberg-Löw (1916 - ?) setzte sich als Kinderfürsorgerin bei der Israelitischen Kultusgemeinde auch für Frauen ein, deren Männer deportiert worden waren, sowie für so genannte "U-Boote". Als die Gemeinde Wien 1938 die Vormundschaften von etwa 200 außerehelichen jüdischen Kinder niederlegte, wurde die junge Frau als Vormund nominiert. Ihr späterer Ehemann, der Richter Willi Danneberg, der wegen "Judenfreundlichkeit" suspendiert wurde, unterstützte sie. Danneberg-Löw rettete Kinder von der drohenden Deportation, indem sie Taufscheine von verstorbenen, "arischen" Vätern für sie "besorgte", die sie zu "HalbjüdInnen" machten.
Foto: www.lettertothestars.at

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Kontakte zwischen WiderständlerInnen in Europa

Die für ihre "Frankfurter Küche" bekannte Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000) ging nach ihrer Ausbildung in Wien in die Sowjetunion und die Türkei. 1939 trat sie der damals illegalen KPÖ bei, da sie der Ansicht war, einzig die KommunistInnen unternähmen effektiv etwas gegen die Nazis. Als Botin sollte Schütte-Lihotzky Kontakte zwischen WiderständlerInnen in Europa knüpfen. Nach Kontaktaufnahme mit KommunistInnen in Wien, flog die dortige Gruppe auf. Bis 1945 war Schütte-Lihotzky in Gefangenschaft. Wegen ihrer politischen Überzeugungen erhielt die Architektin nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich kaum mehr Aufträge, so dass sie die meisten ihrer Projekte im Ausland verwirklichte. (APA)

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Stille Heldinnen des Widerstands
Foto: Reuters/Prammer