Magische Quadrate faszinieren die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Der Name Sudoku, wie die boomenden Zahlenrätsel genannt werden, stammt zwar aus dem Japanischen, das Rätsel ist jedoch eine Variante der lateinischen Quadrate, die der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler im 18. Jahrhundert entwickelte. 1776 beschrieb er in De quadratis magicis ihr Wesen, in seinen Recherches sur une nouvelle espèce de quarrés magiques enthüllte der Universalgelehrte 1782 schließlich deren Geheimnis. Doch selbst Eulers Quadrate, die er mit lateinischen und griechischen Buchstaben füllte, gehen auf noch viel ältere zurück.

Ältere Wurzeln in China

Bereits aus der Zeit des chinesischen Kaisers Lo-Shu, der um 2200 vor Christi gelebt hat, ist ein magisches Quadrat dritter Ordnung überliefert – die Anzahl der Felder je Zeile beziehungsweise Spalte heißt Ordnung des Quadrats. Das Lo-Shu gilt als das älteste magische Quadrat. Warum magisch? Konfuzius berichtet, der umsichtige Kaiser sei einmal damit beschäftigt gewesen, Dämme zu bauen, um den Überschwemmungen des Gelben Flusses Einhalt zu gebieten. Als er in Gedanken versunken war, erschien ihm die göttliche Schildkröte Hi. Auf ihrem Rücken war eine Figur gezeichnet, die mit magischen Zahlen versehen war. Die Lösung des Zahlenrätsels sollte ein Geheimnis offenbaren. Welches, ist nicht überliefert. Die europäische Tradition dieser Zahlenrätsel hat jahrhundertelang von einem Manuskript des Gelehrten Manuel Moschopoulos gezehrt, der Anfang des 15. Jahrhunderts in Konstantinopel lebte. Darin sind bereits Konstruktionsregeln für magische Quadrate jeder Ordnung aufgeführt. Nach diesen Anleitungen hat Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486 bis 1535) magische Quadrate der Ordnungen drei bis neun entwickelt und diese den Planeten – im damaligen Verständnis des Himmels – zugeordnet. Seine sechs nach ihrer Ordnung gereihten Quadrate brachte Agrippa mit der Reihung der Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und Mond in Beziehung und leitete daraus magische Eigenschaften der Planeten und Quadrate ab. Agrippa schaffte auch einen Bezug zwischen dieser Zahlensymbolik, den Planetenkonstellationen und dem Menschen – magische Quadrate halten sich in der Astrologie bis heute.

Von Dürer zu Euler

Berühmt geworden ist das magische Quadrat vierter Ordnung aus dem Bild „Melencolia“ von Albrecht Dürer (1471 bis 1528). Es ist so arrangiert, dass das Entstehungsjahr 1514 in der Mitte der untersten Zeile erscheint. Die logische mathematische Grundlage für die magischen Quadrate verdankt die Menschheit jedoch dem Gelehrten Leonhard Euler. 1707 geboren, besuchte er das Gymnasium in Basel und nahm gleichzeitig Privatunterricht beim Mathematiker Johannes Burckhardt. Ab 1720 studierte er an der Universität Basel Philosophie und Theologie, bei Johann Bernoulli auch Mathematik und Physik. 1723 erlangte er durch einen Vergleich der Philosophie Newtons und Kants in lateinischer Sprache die Magisterwürde. Am 17. Mai 1727 berief ihn Daniel Bernoulli an die Akademie St. Petersburg. 1730 erhielt Euler die Professur für Physik und schließlich 1733 als Nachfolger von Daniel Bernoulli, inzwischen sein Mentor geworden, die Professur für Mathematik.

Beim großen Friedrich

Er bekam später immer stärkere Sehprobleme, ab 1740 war er auf einem Auge blind – was er so kommentierte: „Jetzt bin ich nicht mehr so abgelenkt.“ 1741 holte ihn Friedrich der Große an die Berliner Akademie. Nach 25 Jahren in Berlin kehrte er 1766 zurück nach St. Petersburg. 1771 erblindete er ganz. 1783 starb er an Hirnblutung. Sein wissenschaftlicher Output: 886 Publikationen. Zahlreiche heutige mathematischen Symboliken und Gleichungen gehen auf Euler zurück, der sich mit Differenzial- und Integralrechnung, Zahlentheorie und Algebra, Analysis und Variationsrechnung beschäftigte. Ob er von seinen 13 Kindern, von denen nur fünf die Pubertät erreichten, inspiriert wurde, sich der magischen Quadrate anzunehmen, ist unklar. Überliefert ist Eulers folgender Satz: „Ich machte meine größten Entdeckung, während ich wieder ein Baby im Arm hielt und meine anderen Kinder rings um meine Füße spielten.“(DER STANDARD Printausgabe 4./5. Juni 2005)