Foto: Thomas Rottenberg

Massenmaturareisen boomen wie nie zuvor: Mehr als ein Drittel der jährlich knapp 40.000 für reif erklärten Jugendlichen feiern ihren Schulabgang mittlerweile in eigens für sie reservierten All-inclusive-Clubs rund um das Mittelmeer. Der Markt ist heiß umkämpft – Unterschiede zwischen den Anbietern sind aber kaum zu erkennen.

Es wirkte so, als habe jemand den Jugendlichen eingetrichtert, was sie da sagen sollten. Aber dafür, sich an PR-Aufträge zu erinnern, waren die fünf einfach zu – äh – müde. Es war irgendwann Anfang Juli 2004 gewesen. Am Strand. Gegen Mittag. Also zu einer Zeit, um die etliche der rund 1500 Jugendlichen hier, in einem Magic Life Club im tunesischen Mahdia, gerade die Augen öffneten. Oder zu öffnen versuchten. Schließlich war die Nacht strapaziös gewesen. So wie alle Nächte. Party bis zum Abwinken. Oder Umfallen. Wobei da oft wenig Unterschied ist.

Die fünf lagen am Strand und wurden wach. Und allein, dass das möglich sei, erklärten sie, erkläre, was das Gute an einer Massenmaturareise sei: "Das ist das letzte Mal, dass wir alle zusammen sind", sagte das Mädchen, das – augenscheinlich – am wenigsten mit den Folgen des Restalkohols zu kämpfen hatte, "und wenn wir da gemeinsam verreisen wollen, ist das ur mühsam: Man findet kein Quartier – und wenn, gehen uns dort die Leute auf die Nerven. Und wir ihnen."

Verfall der Sitten

Denn daran, dass eine Gruppe von gerade für reif erklärten Jugendlichen andere Interessen und Rhythmen hat als Familien mit kleinen Kindern, dürften sich sogar jene Zeitgenossen erinnern, die – auch – angesichts von organisierten Maturareisen den Verfall von Sitte, Anstand und Moral beklagen. Freilich: So schlimm, wie die Veranstalter es augenzwinkernd darstellen, sind die boomenden Schulschluss-Fahrten nicht. "Das ist ein anspruchsvoller Swingerclub für Maturanten", hatte etwa Alexander Knechtsberger, Clubbing-Großveranstalter ("Doc LX Jam") und einer der Platzhirsche am Markt, im Vorjahr eines Nachts am Strand von Mahdia lachend gemeint – und einfach auf das gezeigt, was sich rund um ihn abspielte.

Nur: Bei 1500 Kids, denen man eine Woche lang Sonne, Alkohol und Highlife ohne jede Beschränkung verspricht, wäre es viel überraschender, wenn da nicht ein Hardcore-und Exzess-Partygrüppchen von zwei- oder dreihundert Jungreifen allen die Schau stehlen würde. Der Rest, der lesend – mitunter gar Gitarre spielend – abhängt, ist, als Marketinggag völlig uninteressant.

Denn auch die "Braven" ließen sich von Veranstaltern, die ihnen "den Sommer ihres Lebens" versprechen und dann mit klassischen Cluburlaubsbildern daherkämen, nicht ködern. Vor allem wenn die Konkurrenz nicht schläft: Der Markt der knapp 40.000 Jugendlichen, die jedes Jahr maturieren, ist heiß umkämpft – und mehr als jenes Drittel der Maturanten, die mittlerweile in eigens für sie reservierte Clubs rund ums Mittelmeer fahren, ist kaum abzuholen. Das wissen die Veranstalter – und matchen sich um jede Schulklasse. Nicht immer fein.

Bezahlte Störer

Wenn da "Mission2Beach"-Macher Markus Burscha betont, dass erst sein Eintritt in die Maturareiseszene dazu geführt habe, dass auch die Mitbewerber "auf die Mindestqualität der Unterkünfte achten und die Leute nicht einfach nur abfüllen", was "zur Folge hat, dass man mir vorwirft, den Aufwand für die Veranstalter erhöht zu haben", ist das harmlos: Ob tatsächlich ein Veranstalter Jugendliche dafür bezahlt hat, auf der Reise des Konkurrenten Schlägereien anzuzetteln, wird sich nie beweisen lassen – allein, dass die Verreiser einander gegenseitig Derartiges zutrauen, ist bezeichnend.

Dabei war das nicht immer so: Begonnen hat die kollektive Maturareiserei vor mittlerweile 13 Jahren. Damals maturierte der Oberwarter Dietmar Tunkel – und entdeckte vor der eigenen Maturareise, dass es weder zielgruppenspezifische Angebote noch Beratung gab. In diese Marktnische stellte er 1995 (in der Garage seiner Eltern) sein Reisebüro "Tu' die Reise" und arbeitete bald mit Knechtsberger zusammen. Dessen Partylinie "Doc LX" war schon damals bei der Zielgruppe eine gut eingeführte Marke. Als Markus Burschas Partyorganisation "Campus Group" dann 2002 in den Markt einstieg, saßen Tunkel und Knechtsberger noch in einem Boot in Kemer (Türkei) – und Burschas Club lag gleich ein paar Meter weiter den Strand entlang.

Heute kann kein Maturant mehr den direkten Vergleich anstellen: Knechtsberger und der – mit (nach eigenen Angaben ) 4000 Gästen in jeder der beiden Reisewochen – Marktführer Tunkel gehen getrennte Wege. Alle Clubs liegen weit auseinander. Und auch wenn jeder die eigene Einzigartigkeit betont, fällt es schwer, Unterschiede zu erkennen.

Ziemlich ähnlich

Denn wie bei Clubs für Erwachsene ist es egal, in welchem Land die Anlage steht. Fünf-Sterne-All-inclusive ist Standard. Wassersport, Entertainment, Kino und Dauerparty auch. Und ob es für die Zielgruppe tatsächlich eine Rolle spielt, welcher Mobilfunkprovider, welche Bank, welche Zeitung, welcher Schnapsbrenner und welcher Kondomhersteller sich als Sponsor das Recht sichert, hier ohne Konkurrenz eine Woche lang auf 1500 bis 2000 Jugendliche einzuwirken, verraten die Veranstalter nicht – betonen aber doch gerne und ausführlich, welche Unternehmen bei ihnen an Bord sind.

Und noch etwas haben alle Reisen gemein: Nachher beginnt das, womit Eltern und Lehrer als "Ernst des Lebens" drohten – und alleine der Wunsch, sich vorher noch einmal "richtig" austoben zu dürfen, beweist, dass zumindest diese erzieherische Botschaft auf fruchtbarem Boden reif geworden ist.

Regen?

Kommt praktisch nicht vor und wäre im Fall der Regenfälle auch vollkommen egal. Maturanten, die mit Grand Tours nach Ibiza wollen, finden sich beispielsweise an der Playa de Bossa ganz und gar inklusiv versorgt wieder. Die Woche mit Halbpension im Vierbettzimmer ist ab 489 € zu haben. Wer es nur mehr schafft, einmal umzufallen, ist in der hoteleigenen Disco, mit zweimal Umfallen kommt man schon in die zehn Meter entfernte Disco "Space" und der Strand liegt ohnehin in "Abrollweite". Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich irgendjemand ausführlicher bewegen kann und will, sind sämtliche Wassersportarten verfügbar.
www.maturareisen.at

Die Anlage des Magic Life Clubs Duni bedeckt nur eine kleine Fläche der riesigen Schwarzmeerbucht bei Sosopol in Bulgarien. Splashline bieten allen nun etwas "reiferen" Damen und Herren das klassische Magic-Life-Feeling mit echtem All-inclusive-Programm: Sportlich gesehen blieben keine Wünsche offen, würde man sich nicht direkt in der Anlage von der Discobar mit einem Umweg über die Poolbar weiter zur Standbar hanteln können. Wer zwischen dem speziellen Spätaufsteher-Frühstück und dem Mitternachtssnack noch Zeit findet, bekommt einen Gratishaarschnitt verpasst. Das alles ab 553 € pro Woche.
www.splashline.at

Wer glaubt, dass man die Matura auch heiter ohne "organisiertes Erbrechen" feiern kann, ist mit dem Angebot von Bentour in der Türkei gut aufgehoben. Die Maturareisen können relativ individuell gestaltet werden, kulturelle Ausflüge sind ebenso möglich wie Shopping und Nightlife in nahe Bodrum. Wählen kann man zwischen einem klassischen Drei-Sterne-Hotel-Aufenthalt ab 419 €, der Vier-Sterne-All-inclusive-Variante ab 579 € und der Maturareise zu Wasser auf einer Segelyacht ab 699 €. Der Aufenthalt in einem der World-of-Wonders-Resorts inkludiert ein breit gefächertes Sport- und Unterhaltungsprogramm.
www.bentour.at

Sonne

... ist bei den Maturareisen von Neckermann auf Korfu nicht inklusive. Aber im Normalfall bis zum Sonnenbrand ausreichend vorhanden. Die Anlage "Angela Beach" hat eigentlich wenig resorttypisches, sondern gleicht eher einem gepflegten Arkadenhof mit eigenem Pool. Das hauseigene Animationsprogramm hält sich in Grenzen, dafür kommt man mit dem Hotelbus nachmittags und abends jederzeit in die nahe gelegene Stadt Roda. Buffettechnisch wird man den ganzen Tag bis Mitternacht rundum versorgt, die Woche All-inclusive kostet ab 532 €.
An Stelle von Clubbings gibt's einmal wöchentlich Folkloreabende.
www3.neckermann-reisen.at
(DER STANDARD, Printausgabe vom 4./5.6.2005)