Wien - Wolfgang, allein zu Haus: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel saß Mittwoch eine Zeit lang ganz allein auf der Regierungsbank im Nationalrat. Das war durchaus ein Bild mit Symbolwert: Denn auch in der Debatte, wie denn die EU auf die negativen Verfassungsvoten reagieren sollte, stand die ÖVP mit ihrer Ansicht "Linie halten" alleine da.

Die SPÖ verlieh ihrer neuen EU-kritischen Linie in einer Aktuellen Stunde Ausdruck, in der sie die "Kehrtwende" der EU-Politik forderte. Gleich drei rote Redner traten an, um die Notwendigkeit einer Richtungsänderung zu begründen. Bei SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hörte sich das so an: "Viele Menschen haben Angst, dass nicht Waren exportiert werden, sondern Arbeitsplätze." Daher brauche Europa ein Signal, dass Sozialpolitik an die Spitze gesetzt werde. SPÖ-Europasprecher Caspar Einem warb dafür, die Signale der negativen Verfassungsvoten in Frankreich und den Niederlanden zu verstehen. Für ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch war das Signal klar: "Weiter runter mit den Löhnen - das ist nicht das Europa, das in der Verfassung steht."

Keine Pausentaste

Kanzler Wolfgang Schüssel und ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer konnten der Forderung nach Kehrtwende nichts abgewinnen: "Es geht um Linie halten, nicht um Kehrtwende." Kanzler Wolfgang Schüssel will auch beim EU-Gipfel kommende Woche für die Verfassung kämpfen. Seine Begründung: Wenn man jetzt auf die Pausentaste drücke, führe das zu monatelanger Agonie.

Davon konnte Schüssel aber auch seinen Koalitionspartner nicht wirklich überzeugen: Auch FPÖ und BZÖ forderten Nachverhandlungen bei der Verfassung ein. "Man kann keine Erweiterungsschritte setzen, wenn mit der Verfassung die Voraussetzung dafür fehlt," tönte BZÖ-Klubchef Herbert Scheibner. FPÖ-Abgeordneter Reinhard Bösch assistierte: "Die Verfassung ist gescheitert. Europa muss sich neu zusammensetzen."

Für die Grünen gestand Eva Glawischnig eine "gewisse Ratlosigkeit" ein. Auf jeden Fall müsse die EU den "ruinösen Standortwettbewerb" beenden. Dabei könne sie auch die österreichische Regierung nicht aus der Kritik ausnehmen: "Sie waren Vorreiter von neoliberaler Politik."

Die SPÖ-Delegation im Europaparlament kommentiert die derzeitige EU-kritische Linie der SPÖ übrigens nur knapp: Hannes Swoboda meinte nur, er würde sich manchmal wünschen, dass das "Bekenntnis zu Europa" vorangestellt werde und nicht zuletzt komme.

Der Ex-Abt und die EU

Heftigeren Protest aus Brüssel löste eine andere Aussage aus. "Das römische Reich war die bessere EU" - mit dieser Aussage, getätigt bei einem Referat im Rahmen einer Festveranstaltung in Tillysburg in Oberösterreich, sorgt der ehemalige Abt von Stift Geras, Joachim Angerer, für Diskussionen. Protest kam vor allem direkt aus Brüssel: "Die heutige EU mit einer Zeit zu vergleichen, in der Gemeinsamkeit nur durch das Schwert erreicht wurde, ist bedenklich", so Europaabgeordneter Paul Rübig (ÖVP) im Standard-Gespräch. Er sei, so Rübig, froh, dass man heute "einen demokratischen Weg bevorzugt".

Angerer verteidigt gegenüber dem Standard seine Aussage: "Fakt ist, dass das Imperium Romanum einmal ganz Europa umfasste und man darf nicht vergessen, dass auch die Türkei ein Teil davon war." Man habe zwar einerseits die Völker gewaltsam unterworfen, dies sei auch mit der EU "nicht vergleichbar", aber andererseits damit die Möglichkeit geschaffen, ein "großes Ganzes" zu regieren. (eli, mro/DER STANDARd, Printausgabe, 9.6.2005)