Von der dezent roten Wand starren Lenin und Marx, zwischen ihnen baumeln Auszeichnungen für "vorzügliche" Arbeiter, den Hintergrund zieren Hammer und Sichel: Das Industrie-Museum im teils hochmodernen Industriepark nahe der lettischen Hauptstadt Riga verweist auf jene Zeit, die für Lettland, seit 1991 unabhängig, schon zur Vergangenheit gehört. Die ehemalige sowjetische Plastikfabrik, 1997 privatisiert, wich 2000 dem Nordic Industrial Park. Statt Arbeitern präsentieren sich gestylte junge Frauen, die in perfektem Englisch durch das Areal führen.

Der lettische Industriepark hinterlässt bei den Teilnehmern der Studienreise des Verbandes der Technologiezentren Österreichs (VTÖ) einen großen Eindruck. "Der VTÖ veranstaltet als Dienstleistung für seine Mitglieder jedes Jahr eine Reise, um den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu ermöglichen und internationale Erfahrungen zu sammeln", erklärt Clemens Strickner vom VTÖ. Gerade internationale Kontakte sind im "Tigerstaat" angesagt. Seit 2004 EU-Mitglied erweist sich Lettland zwar mit seinem achtprozentigen Wirtschaftswachstum als wahrer Musterschüler unten den baltischen Staaten, startete aber auch von einem niedrigen Niveau aus. Das Durchschnittseinkommen beträgt gerade 400 Euro, das Stadt-Land-Gefälle ist enorm, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegen bei 0,4 Prozent. Strickner sieht daher "Aufholbedarf".

Die Letten selbst blicken optimistisch in die Zukunft und setzen auf die Branchen Informationstechnologie und Telekommunikation, Biotechnologie, Logistik und Transport. Der nationale Innovationsplan sieht die Ankurbelung der angewandten Forschung vor, die Steigerung der Transferleistungen sowie der Unternehmenskultur unter Forschern. Diese sind oft resistent gegen die Anpassung an neue ökonomische Gegebenheiten.

Neue Generation

Der junge Chemiker Edgars Baranovics gehört zur neuen Generation. Er gründete vor drei Jahren ein Testlabor für Lebensmittel, ohne staatliche Unterstützung. Geld für Investitionen fehlt noch, die Geräte für die mikrobiologischen Analysen im Lettischen Technologiezentrum auf dem Areal der Akademie der Wissenschaften erstrahlen nicht gerade in neuem Glanz. Auch die verfallene Fassade des Instituts für Biomedizin lässt die rege Tätigkeit dahinter nicht vermuten: Das Biotechnologie-Unternehmen Asla, ein Spin-off der Universität von Lettland, verzeichnet heute einen Umsatz von 450.000 Euro. Das Startkapital betrug mickrige 3000 Euro. Direktor Anatoly Sharipo: "Wir haben hoch qualifizierte Wissenschafter, denn die Chemie verfügt hier über eine lange Tradition."

Die Stärke der Biochemie ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass diese vor der Unabhängigkeit 1991 im Dienste der sowjetischen Kriegsforschung stand. Dort, wo früher am Institut für Mikrobiologie virologische Kampfstoffe hergestellt wurden, floriert heute der Laborgerätehersteller BioSan, mittlerweile mit ausländischer Beteiligung und rund 60 Angestellten. Der Leiter des ehemaligen Familienunternehmens, Vasily Bankovsky, quittiert die Frage nach dem radikalen Wandel in der Forschungslandschaft mit Achselzucken: "Anpassung ist gefragt."

Diese manifestiert sich in Lettland in der Entstehung von Technologieparks und im Wissen um die Wichtigkeit von Innovationsleistung gerade der Klein- und Mittelbetriebe. Das Lettische Technologiezentrum soll für den Austausch zwischen Forschung und Industrie sorgen. Dabei biete man, so Managing Director Janis Stabulnieks, eine "supergute Unterstützung" auf dem Weg in die innovative Zukunft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 6. 2005)