"Chemiefasern auf Zellulosebasis wie Viskose, Modal oder Lyocell haben ein enormes Entwicklungspotenzial", meint Thomas Bechtold vom Doppler Labor für die Chemie zellulosischer Fasern und Textilien in Dornbirn. Mitten ins Herz der österreichischen Textilindustrie wurde diese Forschungseinrichtung der Uni Innsbruck hineingepflanzt, um den Unternehmen direkt vor Ort wissenschaftlichen Support bei der Entwicklung und Verbesserung ihrer Produkte zu geben.

Fusselnde Westen oder nach dem Waschen erblasste Hemden beschäftigen hier nicht nur erboste Konsumenten, sondern bestimmen die Arbeit von 20 Chemikern - sofern Zellulosefasern am textilen Geschehen beteiligt sind. "Wir befassen uns hier zum einen mit der Faser selbst", so Bechtold, "also mit der Analyse ihrer Eigenschaften und ihrem Aufbau. Zum anderen wollen wir auch herausfinden, wie die Faser am besten verarbeitet wird und welche Trage- und Pflegeeigenschaften das Endprodukt dann hat."

In einem aktuellen Projekt arbeiten die Forscher etwa am so genannten "Pilling"-Problem bei Textilien, also der leidigen Knötchenbildung nach mehrmaligem Tragen. "Mittlerweile können wir bereits das entsprechende Know-how zur weit gehenden Vermeidung der Fusselbildung anbieten", freut sich Thomas Bechtold.

Wichtigster Industriepartner des Labors im Bereich der Faserherstellung ist die Lenzing AG, auch mit dem "Textilverein", der Vertretung der Vorarlberger Textilindustrie, wird intensiver Erfahrungs-und Wissensaustausch betrieben: "Auf diese Weise können wir unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse direkt in die Industrie einbringen." Auf Forschungsebene kooperieren die Dornbirner Chemiker vor allem mit dem Doppler Labor für Zellstoffreaktivität an der Wiener Boku, dem einzigen österreichischen Forschungsinstitut, das sich mit Kohlenhydratchemie - vor allem mit dem chemischen Verhalten von Zellulose - beschäftigt.

Im europäischen Exzellenznetzwerk Polysaccharadise sind beide Labors vertreten. Thomas Bechtold erhofft sich von dieser Beteiligung nicht zuletzt zusätzliches Know-how für die Lösung aktueller Fragen und Probleme: "Wir bearbeiten zwar die Zellulosefasern, gehen dabei aber mit einer nur begrenzt bekannten Struktur um", verweist der Chemiker auf die vielen offenen Fragen in der Polysaccharid-Forschung. "Wir machen Färbeprozesse und veredeln die Faser, damit sie knitterfrei oder Wasser abweisend wird - tatsächlich wissen wir aber nicht genau, was sich in ihrem Inneren eigentlich abspielt. Zurzeit ist in unserer Arbeit noch viel Blindflug dabei!" Auf jeden Fall könne man innerhalb des europäischen Forschungsnetzes "beträchtlich weiter über den Tellerrand schauen als jetzt". (grido/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 6. 2005)