Foto: Hersteller
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Abwarten ist in London ganz eindeutig keine Erfolg versprechende Strategie - die Stadt schraubt sich seit bald 15 Jahren mit derart atemberaubender Energie zur Style-, Kultur-, Gastronomie- und überhaupt Hauptstadt der Welt hoch, dass man leicht abgeworfen wird als tramhaperter Mitteleuropäer. Teetrinken hingegen ist durchaus angezeigt, auch und gerade bei Schwindelanfällen - solange es am richtigen Ort passiert.

Das neue Ingeni-Building von Architekt Richard Rogers im besseren Teil von Soho sollte man seiner luftigen Eleganz wegen ohnehin gesehen haben, dass im Erdgeschoss der mit Sicherheit schärfste Teesalon des Kontinents aufgesperrt hat, macht es für Adepten nachmittäglicher Anregung zur Pflicht-Destination.

"Yauatcha" heißt das vom chinesischen Star-Gastronomen Alan Yau betriebene Teahouse. Rund 150 großteils selbst importierte, vornehmlich chinesische Teesorten stehen bereit, sie können in bezaubernd bunten Kartons nach Hause entführt oder aus ätherisch schönem Porzellan in vielerlei Formen vor Ort genossen werden.

Dazu gibt es edle Sandwiches, die freilich nur hoffnungslose Dessert-Verweigerer je kosten werden. Die wahre Sensation von "Yauatcha" sind nämlich die Tartelettes, Makronen, Pralinés, Cremeröllchen und Fruchtbömbchen von Wunder-Patissier Stéphane Sucheta aus Paris. Was hier auf einer fünf Meter langen Carrara-Marmorplatte zur Auswahl steht, ist angetan, den Sachers, Demels und anderen Meister-Konditoren dieser Welt ganz erhebliches Knieschlackern zu bereiten.

Wertvolle und köstliche Kleinode

Nicht nur, dass die zarten Kreationen in ihrer exquisiten Farbgebung und Formenvielfalt wie wertvolle Kleinode aussehen, sie schmecken auch unvergleichlich raffinierter, als alles, was uns bislang zu Tee (oder Kaffee) gereicht wurde. "Matcha Pamplemousse" ist eine bezaubernd duftige Tartelette mit Grüntee-Creme und rosa Grapefruit-Filets; "Shanghai Lily" hat eine zylindrische Hülle aus hauchfeinem Macadamia-Krokant, die mit Lychee-Szechuanpfeffer-Pannacotta (zum Eingraben gut!) gefüllt und mit allerfrischest kandierten Rhabarber-Stückchen getoppt wird.

Konventioneller, aber ebenso hochklassig sind walderbeerschaumige Fruchtbomben und jene federleichten Makaronen in Giftgrün (Pistazie), Schwarzbraun (beste Valrhona-Schokolade) und Dunkelpink (Himbeere), die wie Pillendosen aus Meringue aussehen und beim Zubeißen so unvergleichlich feuchtsüße Fäden ziehen, dass es fast schon unanständig ist.

Ein solches Angebot zieht natürlich entsprechendes Publikum an, und so wirken die Besucher durchwegs so, als ob sie den neuesten Gucci-, Burberry- oder Galliano-Kampagnen entstolpert wären. Süße Mädels sitzen beieinander, herzige Buben ebenso; Hetero-Pärchen sind mit Sicherheit Touristen. Die überaus appetitlichen Uniformen des Servicepersonals stehen den Kollektionen der Kunden um nichts nach: Sie wurden von Tim Yip entworfen, der für die Kostüme in "Crouching Tiger, Hidden Dragon" den Oscar gewonnen hat.

Im Souterrain gibt es ein Restaurant, wo angeblich die besten Dim-Sums der Stadt (und damit Europas) serviert werden. Bloß ist der Andrang da so stark, das selbst bei Reservierung nur 90-Minuten-Slots fürs Dinner vergeben werden. Und so wichtig, dass man sich dafür stressen lässt, sollte Essen nur in Zeiten der Not sein. (corti/Der Standard/rondo/17/06/2005)