Candida Höfer fotografiert würdevolle Innenräume: „Palais Garnier Paris“ aus dem Jahr 2004

Foto: Museum der Moderne Salzburg

Nicht das Spektakel ist den Kuratoren wichtig, sondern die Reflexion darüber: Margrit Brehm und Roberto Ohrt

Foto: Museum der Moderne Salzburg

Auf rund 2300 Quadratmetern beleuchten Margrit Brehm und Roberto Ohrt die Verbindungen von 120 Jahren Kunst und Massenkultur. Mit Anne Katrin Feßler sprachen die beiden Kuratoren über Salzburg als Schaubühne, Prince Charles und den "Arc de Triomphe" sowie das Ende der Spaßgesellschaft.

STANDARD: "Les Grands Spectacles" umfasst 120 Jahre und fast ebenso viele Künstler. Ein riesiges Kunstkompendium?

Ohrt: Das gibt es nie und wurde auch nicht angestrebt. Die Ebenen am Mönchsberg geben die Grundfragestellungen vor: Die erste Ebene beschäftigt sich unter anderem mit den Veränderungen durch die Reproduzierbarkeit des Bildes, die zweite fokussiert die Installation der Massenmedien nach dem Zweiten Weltkrieg und zentrale Themen der 50er- und 60er-Jahre, bevor wir im dritten Teil zu den Zeitgenossen kommen. Ein sicherlich sehr weites Themenspektrum, das aber immer die Verbindung zu dem sucht, was die Medien thematisierten.

STANDARD: Und extrem große, klingende Namen.

Brehm: Es ging nicht darum, eine Hitliste zu erstellen, sondern Verbindungen sichtbar zu machen. Zum Beispiel zu sagen, dass das Thema "Atombombe" von seiner ästhetischen, politischen wie seiner historischen Fragestellung eine große Rolle in der Kunst gespielt hat. Aber unser Ausgangspunkt waren die Kunstwerke und nicht ein Konzept, das man bebildert. Heute reagiert die Kunst auf massenmediale Fragen sehr schnell. Im Vergleich dazu hatte die kritische künstlerische Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg weniger Einfluss auf die Medien.

STANDARD: Kommt man bei so einer Masse an Kunstwerken nicht selbst in die Nähe eines Ausstellungsspektakels?

Ohrt: Man kann sich der Situation nicht unbedingt entziehen: Wir sind in Salzburg, einem Festivalort, der perfekt mit beiden Seiten des Spektakels zu tun hat. Einerseits Disneyfizierung, andererseits klassische alte Theaterkultur – und vielleicht sogar eine dritte Seite: jene der barocken Planung der Stadt als Schaubühne. Es geht auch darum, an einem typischen Ort des Spektakels eine Ausstellung über ebendieses Thema zu machen. Der Transformation der Kunstwelt in eine Event-Struktur kann man sich auch nicht ganz verweigern, da müsste man das Ganze schon hier im Wald veranstalten. Das wäre nicht die richtige Strategie. So wie Martin Kippenberger sagte, man ist zwar "auch dabei", aber in einer unüblichen Form, die nicht das liefert, was erwartet wird.

STANDARD: "Spectacles" ist im Französischen die "Aufführung", wird im Deutschen aber eher negativ besetzt.

Brehm: Das hat viel mit der Trennung von ernster und unterhaltender Kultur Ende des 19. Jahrhunderts zu tun. Das seit dem Mittelalter auf den Märkten existierende Spectaculum war stets verbunden mit Tricks und ein bisschen Betrügerei. Aus dem ernsthaften Theater und Opernhaus wurden narrenhafte Figuren, wie man sie von Shakespeare kennt, ausgeschlossen, und es brauchte Leute wie Schlingensief oder Zadek, um das wieder ins Theater hineinzubringen.

STANDARD: Haben wir große Spektakelkunst zu erwarten in "Les Grands Spectacles"?

Brehm: Es verbirgt sich hinter dem Titel keine Sensationsausstellung, die in erster Linie schockieren will, sondern wir zeigen Werke, die die Provokation bereits reflektieren. Nicht dass wir hier ein Britney-Spears-Memorial hätten, aber ich hätte nie gedacht, wie viele Kunstwerke sich mit der Affäre rund um ihren Kuss mit Madonna beschäftigt haben.

STANDARD: Ist der Umgang der Gesellschaft mit dem "Spektakel" heute ein anderer?

Brehm: Die Suche nach dem Spektakel hat eine andere Ebene erreicht: Ein Modell der Gelatin-Skulptur Arc de Triomphe, die 2003 einen Skandal auslöste, ist einer Aktion von Jean Tinguely aus dem Jahr 1970 gegenübergestellt. Dieser stellte einen riesigen goldenen Phallus vor den Mailänder Dom. Die 2000 bis 3000 Anwesenden klatschten bei der Enthüllung, aber die Aktion wurde in den Medien totgeschwiegen.

Rund 30 Jahre später wird die ganze Diskussion fast völlig auf die Ebene der Medien verschoben und dort skandalisiert. Sogar die Sun und der Daily Telegraph fragten an, ob das ein persönlicher Angriff auf Prince Charles sei, der an diesem Tag in Salzburg war. Nicht in den kühnsten Träumen hätten wir daran gedacht!

STANDARD: Die Zeiten der Spaßgesellschaft sind ja vorbei. Wie reagiert die Kunst darauf?

Ohrt: Im Moment spielt die Spaßgesellschaft eher mit dem Tod. Aber im Fernsehen wird dieses Konzept noch weiter gezogen. Eine Video-Sound-Installation von Kendell Geers bezieht sich jedoch ganz konkret auf den Zusammenbruch der Twin Towers, und Daniele Buetti fertigte einen Springbrunnen aus den Ruinen.

STANDARD: 9/11 als Anfang vom Ende der Spaßgesellschaft?

Ohrt: Nein, mit der Machtergreifung der Bush-Administration beginnt die Aufkündigung der Spaßgesellschaft. Sie bestand ohnedies aus Leidensgemeinschaften. 9/11 war lediglich das Signal. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 6. 2005)